Montag, 15. August 2011 – noch 5 Tage bis zum Start

 

Der Countdown läuft! In den vergangenen Tagen war ich gedanklich mehr und mehr mit meiner bevorstehenden Tour beschäftigt. Letzte fehlende Ausrüstungsgegenstände mussten noch besorgt werden: Eine zweite Zipp-Hose, Regenhose, Sonnenhut, Schlafsack, ein Tarp und ein paar gebirgstaugliche Wanderschuhe. Die Reiseapotheke wurde aufgerüstet. Das mit den Schuhen war nicht mehr eingeplant. Aber bei einem nur 11 km langen Testmarsch mit fast kompletter Ausrüstung (12 kg) durch den Grabengrund (Waldgebiet in Schlüsselfeld), musste ich feststellen, dass meine bisher vorgesehenen Schuhe zu klein sind. Es ist nämlich ein Unterschied, ob man ohne Gepäck unterwegs ist oder mit vollem Rucksack. Da sind die Füße einer völlig anderen Belastung ausgesetzt.

 

Schlafsack und Tarp brauche ich zur inneren Beruhigung. Ein Tarp ist eine 3 x 2 m große, regendichte Folie (Zeltplane) mit Ösen, mit der sich im Bedarfsfalle unter Zuhilfenahme von 2 Wanderstöcken ein zeltartiges Regendach aufstellen lässt. So kann ich mir im Notfall mal selbst ein Dach über dem Kopf bauen.

 

Stark beschäftigt hat mich auch die „technische Ausrüstung“. So musste ich mich mit einem neuen Mobil-Telefon vertraut machen. Eine Prepaid-Karte für Italien habe ich mir besorgt, dazu ist eine italienische Steuernummer zu beantragen. Ein simlock-freier Surf-Stick dazu, damit man auch in Italien einigermaßen kostengünstig Anschluss ans Internet bekommt. Die Karte muss aufgeladen werden, Stick und Karte sind freizuschalten. Alles kein Problem, wenn man sich damit auskennt. Doch woher soll man sich auskennen, wenn man so etwas zum ersten mal macht! Hinter allem steht die Frage, ob es dann in Italien auch wirklich funktioniert. Bei der Telekom habe ich zusätzlich noch eine Option „Travel und Surf“ aktivieren lassen. Man zahlt dabei für jedes Telefongespräch von Italien nach Deutschland eine Pauschale von 75 ct, der Rest wird von 120 Freiminuten pro Monat abgebucht. Damit kann man leben.

 

Zwischendurch sind immer wieder mal Zweifel in mir hochgestiegen: Muss ich diese Tour unbedingt machen? Ist es nicht zu egoistisch, für 2 Monate alles liegen und stehen lassen und einfach abzuhauen? Gertrud hat mir letztendlich über diese Zweifel hinweg geholfen, wofür ich ihr sehr dankbar bin.

 

Trotzdem bin ich, je näher der Tag der Abreise kommt, mit meinen Gedanken immer wieder auf dem Weg, den ich mir seit ca. 2 Jahren zurechtgeschneidert habe. Was wird alles auf mich zukommen? Welchen Menschen werde ich begegnen? Wird mein Körper, vor allem meine Füße die Belastung aushalten? Werde ich Rom erreichen? Wann bin ich wieder zuhause?

 

Es wird Zeit, dass ich endlich los gehe.

 

 

20.08.2011: Wachenroth – Weiher (mit dem Auto)

 

Der Abschied aus Wachenroth fiel doch nicht so leicht, wie ich es mir gewünscht hätte. Schließlich verlasse ich meine Heimat und meine Lieben für ganze 2 Monate, was mir so leicht natürlich nicht gefallen ist. Wir (Gertrud und ich) starteten um 15,20 Uhr wie vorgesehen und trafen nach ca. 2 Stunden bei der Pension Lanzl in Weiher ein. Nach einem sehr guten Abendessen und einem kleinen Abendspaziergang konnten wir - den Umständen entsprechend - auch relativ gut schlafen.

 

 

21.08.2011: Weiher - Zellerreit , 21 km

 

Eine Stunde nach dem Frühstück und einem letzten Check rund um den Rucksack war ich startbereit. Nach dem Abschied von Gertrud, zu dem ich an dieser Stelle keine weiteren Auslegungen machen möchte, bat mich Frau Lanzl, doch von unterwegs mal etwas hören zu lassen, was ich gerne versprach.

So lief ich mit gemischten Gefühlen in den Tag hinein, der mir lt. Wetterbericht Temperaturen jenseits von 30 Grad bescheren sollte. Italienische Temperaturen also bereits am ersten Tag! Nach gut 2 1/2 Stunden und ca. 9 km machte ich eine erste Pause unter einem schattigen Baum. Da meldete sich auch schon Gertrud, dass sie wieder gut in Wachenroth angekommen ist. In der folgenden Stunde wurde es mir nicht langweilig. Angela und die Güttler‘s meldeten sich per SMS, um mir einen guten Start zu wüschen und auch mein Freund Fritz rief an, um sich nach meinem Befinden am ersten Tag zu erkundigen. Mittlerweile war es nach 13,00 Uhr und die Hitze war wirklich schwer zu ertragen. Ich wechselte 2 mal die Schuhe, um wenigstens meinen Füßen eine kleine Abwechslung zu gönnen. Um 14,30 Uhr war ich kurz vor Ramerberg, wo ich nächtigen wollte. Meine erste Anlaufstelle – ein Ferienhof - war ausgebucht, die Chefin war jedoch so freundlich und organisierte mir telefonisch ein Zimmer im Gasthof Esterer in Zellerreit, einen knappen Kilometer weiter. Auf dem Weg dorthin musste ich noch eine ansehnliche Steigung überwinden und konnte mich dann erschöpft und abgeschlagen auf ein kühles – nein, nicht Weizenbier, sondern Apfelschorle – niederlassen.

 

Weiher - Zellerreit, 21 km
Weiher - Zellerreit, 21 km

22.08.2011: Zellerreit – Rosenheim, 22 km

 

Die erste Schritte nach dem Aufstehen fühlten sich gar nicht gut an, und mein erster Gedanke war: „Du kannst heute keinen Meter laufen.“ Missmutig packte ich meinen Rucksack und machte mich trotzdem bereits um 7,45 Uhr auf den Weg. Ich musste an meinen Freund Klaus und seinen Spruch denken: „Der frühe Vogel frisst den Wurm.“ Und siehe da, nach einer guten halben Stunde waren alle Bedenken verflogen, es lief wieder rund. Ich kam gut voran und erreichte gegen 10,30 Uhr den Inn kurz nach Rott. Man kann durch die Inn-Auen verschiedene Wege nehmen. Der luftigste, aber auch der sonnigste ist der auf der Dammkrone. Die anderen liegen etwas tiefer und ziehen sich durch langsamer fliesende bzw. fast stehende Seitengewässer, wo der Wanderer natürlich ein gefundenes Fressen für Stechmücken aller Art ist. Aber man findet dort Natur pur. Unterwegs hatte ich ein paar nette Unterhaltungen mit älteren Herrschaften, die von meinem Vorhaben sehr angetan waren. Es lief gut und ich bildete mir ein, dass die Hüft- und Rückenschmerzen schon leicht zurückgingen. Das baute mich auf. Nur auf meine Füße musste ich ständig lauschen. Da bin ich noch nicht ganz über den Berg, was angehende Blasen betrifft. Da ich aber vorgebeugt hatte mit Blasen- und Fixierpflaster, bin ich auch hier zuversichtlich. Der morgige Tag wird die Wahrheit ans Licht bringen. Um 14,30 erreichte ich die Innenstadt von Rosenheim und fand auch gleich im ersten Gasthof eine Bleibe für die Nacht.

Zellerreit - Rosenheim, 22.08.2011
Zellerreit - Rosenheim, 22.08.2011

23.08.2011: Rosenheim – Erl in Tirol, 25 km

 

25 km waren für heute nicht geplant. Ich wollte in Nußdorf oder Flintsbach übernachten. Wären ca. 5 km weniger gewesen. Lt. Google-Messung hätten es nach Erl 23 km sein sollen. Da ich in Rosenheim nicht auf Anhieb das richtige Schlupfloch raus zum Inn gefunden hatte, musste ich eine Ehrenrunde von ca. 1 km drehen. Dann hatte ich gestern übers Internet auf Anhieb ein Zimmer in Erl bekommen und dachte, es wird schon gehen. Es ging, zumindest am Vormittag, aber ab 13,oo Uhr stiegen die Temperaturen wieder auf 33 Grad. Die letzten 6 Kilometer waren eine Qual. Die Füße schmerzen zwar, aber es gibt noch keine Blasen, Gott sei Dank! Die Strecke führte wieder weitgehends durch die Inn-Auen. Es folgte die Unterquerung der A8 München – Salzburg (hört sich doch schon ganz schön weit an, oder?) und die Alpen kamen näher und näher. Ich kam auch unmittelbar an 3 Badeseen vorbei, doch für eine Erfrischung blieb keine Zeit. Und außerdem hält die höchstens 5 Minuten, danach wird’s nur noch schlimmer. Kurz um, es war 15,45 Uhr als ich mein Hotel in Erl erreichte. Der Passions-Spielort Erl ist zwar nicht so bekannt wie Oberammergau. Man spielt alle 6 Jahre, 2013 feiert man 400-jähriges Jubiläum, das Festspielhaus ist aber doch schon beeindruckend. Unmittelbar daneben wird ein neues, in seinen Dimensionen um ein mehrfaches größer als das alte, gebaut. Man höre und staune: Der Prachtbau wird von der Fa. STRABAG über eine Stiftung gesponsert. Baukosten: Ca. 30 Millionen Euro! Der Hauptaktionär (Namen vergessen) ist gebürtiger Tiroler. Ich empfehle, im Jahr 2013 mal vorbei zu schauen. Eine kleine Geschichte am Rande: Einer der Herren, den ich am Vortag am Inn-Ufer als Fußgänger traf, begegnete mir heute als Radfahrer auf dem Weg von Rott am Inn nach Nußdorf und zurück ein zweites mal. Er hatte gehofft, mich heute nochmal zu treffen, nachdem er sich schon gestern sehr für meinen Weg nach Rom interessiert hatte. Er betreibt, mehr hobbymäßig, eine Pension (Hanselmeier) in Rott am Inn, direkt neben der Kirche. Radfahrer und Wanderer aufgepasst: Für 25,-- Euro gibt’s bei ihm Übernachtung mit Frühstück! Wir hatten eine sehr nette Unterhaltung und ich versprach, ihn nach meiner Rückkehr mal zu besuchen. Wir hatten in der Kürze des Gespräches einen sehr guten Draht zueinander aufgebaut. Martin, die Wette gilt! Morgen will ich meine Knochen ein wenig schonen. 15 km und nicht weiter. Das reicht in etwa bis Kufstein.

23.08.2011: Rosenheim - Erl
23.08.2011: Rosenheim - Erl

24.08.2011: Den kompletten Tag zum Ausruhen in Erl verbracht.

 

Es wurde nichts mit 15 km am Mittwoch. Habe die halbe Nacht um mein Abendessen gekämpft und den Kampf letztendlich verloren. Dem entsprechend mulmig war’s mir heute früh beim Aufstehen. Als erstes habe ich meinen Aufenthalt hier um einen Tag verlängert. Die Wirtin hat mir Tee gekocht, den Frühstücksraum habe ich nicht betreten! Danach wieder ab ins Bett und fast den ganzen Tag geschlafen, was für mich eher ungewöhnlich ist. Morgen werde ich versuchen, trotzdem bis Kufstein zu kommen. Wenn es nicht geht, breche ich früher ab. Gegen mittag werde ich die Güttler’s treffen in der Nähe von Ebbs, die sich zu diesem Zeitpunkt auf der Rückfahrt aus dem Urlaub befinden. Da freue ich mich drauf!

 

25.08.2011: Erl – Kufstein, 17 km

Ich sitze im Hotel Alpenrose in Kufstein. Vergangene Nacht gab es ein Gewitter und es hat auch ein wenig geregnet. Heute früh konnte man mal richtig durchschnaufen. Ich hatte meine Magenverstimmung überwunden und bekam wieder Lust auf Laufen! Frühstück um 8.00 Uhr, Start um 9.00 Uhr. Die ersten 500 m fallen jeden Morgen schwer, nach einer halben Stunde läuft es rund. Diesen Schwung musst du ausnutzen. Als Rainer Güttler mich anrief, war ich schon kurz vor Niederndorf, das liegt gegenüber von Oberaudorf. In etwa einer Stunde könnten wir zusammentreffen. In Ebbs ging ich runter vom Innufer, rein in die Ortschaft Ebbs und wollte an einem Fußgängerüberweg die Straße überqueren um im Schatten zu laufen. Das erste Auto hält an, um mich rüber zu lassen, das zweite sind die Güttlers mit lautem Hupkonzert. Das nennt man Timing! Wir haben uns ca. eine halbe Stunde in Ebbs aufgehalten und ich habe ein paar liebe Grüße mit nach Hause geschickt, dann ging es weiter. Allerdings nicht, ohne die obligatorischen Erinnerungsfotos. Das musste sein. Um 14.30 Uhr war ich am Hotel am Ortsende von Kufstein. Es hat trotzdem wieder gereicht, denn die Temperaturen stiegen wieder auf 32 Grad. Morgen will ich über Bad Häring bis nach Itter oder Hopfgarten kommen.

25.08.2011 - Erl - Kufstein
25.08.2011 - Erl - Kufstein
könnt ihr mitfühlen?
könnt ihr mitfühlen?

 

26.08.2011: Kufstein – Hopfgarten, 21 km

Der morgentliche Schwung, den ich gestern noch gepriesen hatte, blieb heute aus. Um 8.15 Uhr gestartet, galt es bereits nach 10 Minuten einen Höhenunterschied von ca. 150 m zu überwinden, der mir so früh am Morgen überhaupt nicht schmeckte. Schweißgebadet oben angekommen, fielen die Stechmücken über mich her wie die Wegelagerer. Rucksack weggeschmissen und erst mal von oben bis unten eingesprüht. Nun ging’s die 150 m aber wieder hinunter und wenig später wieder hinauf. Nach 8 km war ich fix und alle und wenn ein Hotel oder eine Pension an dieser Stelle gewesen wäre, hätte ich den Tag abgebrochen. Nach 10 km hatte ich Bad Häring erreicht. Ich streckte mich im Schatten eines Buswartehäuschens auf eine Bank und legte 20 Minuten die Füße hoch. Es war mittlerweile 12.00 Uhr und die Temperaturen erreichten die z.Zt. üblichen Werte von 32 – 33 Grad. Es ging wieder bergab, ich hatte inzwischen 13 km hinter mir und ein leichtes Lüftchen kam auf. Ein Hotel war immer noch nicht in Sicht. Nach 15 km hatte ich die Gelegenheit, meine Füße in einem rauschenden Gebirgsbach (es war schon mehr Fluß) zu kühlen. Eine richtige Wohltat. Beenden wollte ich bei 18 km. Da sich aber wieder kein Hotel fand, beschloss ich, bis nach Hopfgarten rein zu gehen. Nachdem ich beim erstbesten Gasthof gleich abgewiesen wurde, sprach ich beim Fremdenverkehrsamt vor, das zufällig gleich um die Ecke war. Und so landete ich auf dem Högerhof, einem urigen, denkmalgeschützten alten Bauernhof, wo ich ein geräumiges Zimmer bezog. Der Gang zum Verkehrsamt hatte den Vorteil, dass ich auch gleich ein Quartier für Samstag auf Sonntag habe. Da übernachte ich dann im Gasthof Wegscheid, die letzte Möglichkeit vor dem Zustieg zur Neuen Bamberger Hütte, wo ich am Sonntag nachmittag sein werde, so Gott will.

26.08.2011: Kufstein - Hopfgarten
26.08.2011: Kufstein - Hopfgarten

 

27.08.2011: Hopfgarten – Gasthof Wegscheid, Kurzer Grund, 17 km

 

Ein erster Blick aus dem Fenster: Der lange ersehne Regen war da, die Temperaturen auf „frostige“ 14 Grad abgesunken. Erst mal gemütlich gefrühstückt, vielleicht lässt der Regen bald nach. Keine Chance, es regnete weiter und um 9.30 Uhr zog ich los, die Regenausrüstung musste ja auch mal getestet werden. Ich kann nicht gerade sagen, dass es Spaß machte, im Regen zu laufen, aber erstens war es besser als bei 33 Grad und zweitens hatte ich gar keine andere Wahl. Ich ging gemächlich, hatte ich doch heute knapp über 600 Höhenmeter zu bewältigen und erreichte um die Mittagszeit den Ort Kelchsau. Die asphaltierte Mautstraße wurde ab hier etwas steiler und ich musste mein Tempo nochmals verlangsamen. Die letzten 6 km zogen sich unendlich und gegen 14.30 Uhr traf ich am Gasthof Wegscheid ein. Meine Regenausrüstung hatte den Test erfolgreich bestanden, nur der Rucksack hatte eine kleine nasse Stelle, die sich auch auf den Inhalt auswirkte. Die letzten 2 km begleitete mich auch noch ein Gewitter, das aber nicht ernst zu nehmen war. Am Abend klarte es auf und die Temperatur sank auf 10 Grad. Wie sich herausstellte, war ich im Haus der einzige Übernachtungsgast und hatte beim Abendessen quasi Familienanschluss.

 

28.08.2011: Gasthof Wegscheid – Neue Bamberger Hütte, 4 km, 600 Höhenmeter

 

Heute früh konnte ich mir Zeit lassen, denn der Aufstieg zur Hütte war mit 1,5 Std. angegeben. Ich hatte für mich 2,5 Std. eingeplant. Erst um 10 Uhr verließ ich den Gasthof Wegscheid. Eine bunt gemischte Wandertruppe aus dem Raum Gräfenberg/Neunkirchen am Brand war eingetroffen, die hier ebenfalls frühstückte. Einige bevorzugten zur frühen Stunde schon ein erstes Hefeweizen! Ich zog anschließend mit der lustigen Truppe los. Unmittelbar nach dem Gasthaus beluden doch diese Warmduscher den Lastenaufzug zur Neuen Bamberger Hütte und ließen ihre Rucksäcke nach oben transportieren. Einen Moment lang war ich in Versuchung, es ihnen gleich zu tun. Ich widerstand schließlich der Versuchung, denn das war mir nun doch zu billig. Nach einer Stunde hatte ich bereits 300 Höhenmeter überwunden und um 12.00 Uhr war ich an der Hütte, die vom DAV  Sektion Bamberg bewirtschaftet wird, angelangt. Ich bekam ein leeres Bettenlager mit insgesamt 15 Schlafplätzen zugewiesen und nahm das einzige Einzelbett hinter der Türe in Beschlag. Die restlichen Betten waren alle 3-stöckig. Wenn ich Glück habe, bleibe ich dort der einzige Bewohner, denn es ist heute nicht übermäßig viel los. Ich sitze im Innenraum während ich schreibe. Draußen ist es zugig, man kann sich nur in der Sonne aufhalten. Vor dem Haus herrscht reges Treiben. Bergwanderer ziehen vorbei, Mountana-Biker, die vom Gerlos herauf kommen und viele Tagestouristen sind unterwegs. Leider gibt es keinen mobilen Empfang und auch die Internet-Einwahl ist nicht möglich. Ich hoffe, dass ich meine Internetseite in Krimml, wo ich meinen nächsten Stopp plane, aktualisieren kann. Ich bin mit dem heutigen Tag zufrieden, die 600 Höhenmeter habe ich gut verkraftet. Es war der Einstieg ins Gebirge, denn die Hütte liegt auf 1740 m Höhe. Jetzt wird’s langsam ernst.

Gasthof Wegscheid .- Neue Bamberger Hütte
Gasthof Wegscheid .- Neue Bamberger Hütte
Dem Wanderer frohe Rast - der Herrgott trägt deine Last
Dem Wanderer frohe Rast - der Herrgott trägt deine Last

 

29.08.2011: Neue Bamberger Hütte – Unterkrimml, 15 km

 

Der erste Hüttenaufenthalt ist überstanden. Ich hatte doch noch einen Schlafgesellen dazubekommen. Ein gebürtiger Sachse um die 30 Jahre, jetzt wohnhaft in Burghausen, gesellte sich abends um 19.00 Uhr dazu. Er wolle heute den Salzachgeier besteigen und den Ursprung der Salzach finden, die durch Burghausen fließt. Die Wanderfreunde aus Gräfenberg verdienten sich am Abend einen dicken Pluspunkt bei mir und ich mindere den Ausdruck „Warmduscher“ von gestern um 50 % ab. Denn beim Singen abends in der Hütte waren die ganz groß. Keine typischen Trinklieder, sondern das komplette Programm deutscher Volkslieder wurde meist aus dem Kopf abgespult. Die Stimmung war so gut, dass 3 Wanderer aus Innsbruck - so um die 70 Jahre alt - spontan in der Hütte übernachten wollten. Nur die Frau in der Gruppe bremste die beiden Herren aus. Sie müsse heute unbedingt noch zurück nach Innsbruck. Da war es schon 19.30 Uhr und die drei hatten noch den Abstieg zum Gasthof Wegscheid vor sich!

Ich ging um 9.00 Uhr los und hatte bis zum Salzachjoch 250 Höhenmeter vor mir. Nach 1,5 Stunden hatte ich den höchsten Punkt erreicht und auf einer Forststraße ging’s hinab zum Gerlos in Richtung Königsleiten. Um 13.00 Uhr war ich an der alten Gerlosstraße, die weiter stetig nach unten führte. Ich musste ca. 4 km von West nach Ost gehen, die mich meinem Ziel keinen Meter näher brachten, denn die tiefe Salzachschlucht war an keiner Stelle zu überqueren. Schließlich fand ich doch noch eine Abkürzung hinab nach Unterkrimml, denn sonst hätte ich weitere 4 km bis zum Ende der alten Gerlosstraße weiterlaufen müssen und anschließend wieder in westliche Richtung nach Krimml. Der Höhenunterschied Salzachjoch zu Unterkrimml betrug

1050 m. Das geht in die Knie! Mit der Unterkunft hatte ich heute Glück. An einem sehr schmucken Bauernhof hing ein Schild „Zimmer frei“ und die Bäuerin stand im Garten. Auf meine Frage, ob sie ein Zimmer für mich habe, antwortete sie, es wäre nur ein Doppelzimmer frei. Meine Füße signalisierten: „Zahl den Aufpreis für das Doppelzimmer!“ Da sagte die Frau: „Aber unter 28,-- Euro kann ich es nicht vermieten.“ Und schon waren wir einig. Morgen geht’s vorbei an den Krimmler Wasserfällen in Richtung Ahrntal, wo ich auf halbem Weg im „KrimmlerTauernhaus“ übernachten werde. Dann ist zum ersten Mal „Hüttenzauber“ angesagt.

Neue Bamberger Hütte - Krimml
Neue Bamberger Hütte - Krimml
mein Quartier in Krimml
mein Quartier in Krimml

30.08.2011: Krimml – Krimmler Tauernhaus, 13 km

 

Nach einer erholsamen Nacht bin ich erst um 9.30 Uhr weggekommen, weil ich mich mit der Bäuerin nach dem Frühstück ein wenig verplaudert habe. Nach einer Stunde hatte ich die bekannten Krimmler Wasserfälle erreicht. Trotz eines normalen Wochentages ging‘s dort zu wie am Jahrmarkt. Wie mag das erst am Wochenende sein?

Die Krimmler Wasserfälle, übrigens die grössten Wasserfälle Europas, sind ein echtes Naturschauspiel, das man gesehen haben muss. Das Wasser stürzt in mehreren Stufen über 400 m zu Tal. Der Pfad hoch zur Krimmler Aache führt direkt dran vorbei, hat es aber in sich. Ich habe gut 1,5 Std. gebraucht, bis ich oben war, allerdings nach mehreren Fotostop‘s. Anschließend durchwandert man auf 6 km Länge eines der schönsten Hochtäler Österreichs, das bis zum Tauernhaus gerade mal ca. 100 m ansteigt. Es reiht sich ein Fotomotiv ans andere. Entgegen des gestrigen Wetterberichtes regnete es keinen Tropfen und ich konnte die Schönheit der Bergwelt genießen. Etwas nach 14.30 Uhr hatte ich mein Etappenziel erreicht und bekam – leider – wieder ein Bettenlager zugewiesen das sich bis 17.00 Uhr bereits mit 12 Personen füllte. Da muss ich durch. Das Haus ist sauber und es herrscht eine angenehme Atmosphäre. Ich habe mich entschlossen, die Birnlückenhütte morgen auszulassen und statt der Birnlücke, den Krimmler Tauern  Übergang zu nehmen, ein alter Schmugglerweg, den ich mit Marco schon mal vom Ahrntal aus bestiegen hatte. Das wird vermutlich die strammste Tour auf meinem bisherigen Weg.

Das Windbachtal - Blick zurück
Das Windbachtal - Blick zurück

 

31.08.2011: Krimmler Tauernhaus – Kasern im Ahrntal, 18 km

 

Nach einer unruhigen, nicht sehr erholsamen Nacht im Bettenlager zog ich bereits um 8.00 Uhr los, denn um 6.00 Uhr war’s mit der „Nachtruhe“ vorbei. Als ich mich gestern abend um 21.00 Uhr hinlegte, waren wir noch zu zweit. Bis 10.00 Uhr trudelten dann die restlichen 10 Mitschläferinnen und Schläfer ein. Etwa eine Stunde später geht dann im 30-Minutentakt das „Männleinlaufen“ los, denn alle hatten natürlich ihr Flüssigkeitsdefizit am Abend entsprechend ausgeglichen. Die Schnarchorgien hielten sich zwar in Grenzen, aber wenn dann (endlich) der Morgen graut, hast du trotzdem das Gefühl, die ganze Nacht kein Auge zugemacht zu haben.

Entschlossen machte ich mich auf meinen Tagesmarsch, nachdem die Senior-Hüttenwirtin mir bestätigt hatte, dass Kasern über die Krimmler Tauern an einem Stück machbar ist. Nach einer halben Stunde erreichte ich die Abzweigung zum Windbachtal, das sich mir erst nach einem steilen Aufstieg von ca. 150 m erschloss. Vor mir nun 6 km Natur pur mitten im Herzen des Nationalparks Hohe Tauern. Weit und breit keine Menschenseele. Nach 2 km kam eine kleine Alm in Sicht. Eine frische Buttermilch wäre jetzt nicht schlecht. Zwar begrüßten mich überschwänglich 3 kleine Mischlingswelpen (ein Berner Sennenhund musste jedenfalls mitgewirkt haben), ein menschliches Wesen war jedoch nicht auszumachen. Den neugierig glotzenden Jungkühen ohne Euter nach zu urteilen, konnte es hier auch keine Buttermilch geben. Das Tal wurde immer enger und machte seinem Namen alle Ehre: Ein kräftiger, kühler Wind blies mir ins Gesicht und ich musste mich wärmer anziehen. Nach einer weiteren Stunde war ich am Ende des Tales angelangt, aber erst auf einer Höhe von ca. 2000 m, was bedeutete, die restlichen 634 m bis zum Übergang sind in engen Kehren durch grobes Gestein zu bewältigen. Der Blick nach oben, wo ich noch hin musste, war etwas beklemmend. Jetzt muss man aufhören zu denken und kontinuierlich einen Fuß vor den anderen setzen. Alle 20 Minuten mal den Rucksack runter, ein paar Fotos machen, einen Schluck trinken und weiter. Plötzlich hinter einem Felsbrocken ein schwarzes Pferd, friedlich grasend. Wo das wohl hingehörte? Ich konnte mir keinen Reim daraus machen. Weiter oben immer wieder weit verstreute Schafherden - ohne Hirten. Um 11.30 Uhr, auf ca. 2400 m hatte ich das Gefühl, eine Stärkung zu brauchen. 2 Müsliriegel, ein Apfel und 10 Minuten Pause gaben mir wieder Kraft für die letzten 250 m. Kurz vor 13.00 Uhr hatte ich den Übergang auf 2634 m erreicht. Ich brauchte 1 Stunde länger, als auf den Wegweisern angegeben war. Für eine kleine Rast an dieser Stelle war es viel zu windig. Deshalb machte ich mich sofort an den Abstieg. Nun war ich auf der Sonnenseite und die Gelegenheit war günstig, eine kleine Vesperpause einzulegen. Ich traute meinen Augen nicht: Ein nicht mehr so ganz junges Paar (die 50 schon überschritten) kamen den gleichen Weg herab, ihre Fahrräder (mit Packtaschen) schiebend bzw. tragend. Wir kamen ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass sie auch den gleichen Weg wie ich herauf schieben mussten. Man hatte ihnen gesagt, der Pfad sei zu 90 % befahrbar. Die Wahrheit war, das sie 90 % schieben mussten. Ob die da was falsch verstanden hatten? Abends im Hotel trafen wir uns wieder. Auf meinem weiteren Weg bergab, rief ich im Berghotel Kasern an, um ein Zimmer zu reservieren, was auf Anhieb klappte. Zufrieden begann ich den weiteren Abstieg. Um 15.30 Uhr, nach 7,5 Stunden kurz vor Kasern trank ich an einem Bauernhof mit Milchbar die beste Buttermilch mit Preiselbeeren meines Lebens und davon 2 Gläser. Das war eine willkommene Erfrischung! Ich streckte die Füße aus und dankte Gott für diesen gelungenen Tag. Auch dafür, dass ich meine 16 kg auf dem Rücken 1000 m rauf und wieder 1000 m runter tragen durfte. Keine Blasen, die Kniegelenke hielten durch und das Wetter hatte auch mitgespielt. Aber ich war unendlich müde. Deshalb freute ich mich auf das Hotel Kasern, wo ich den Donnerstag als zusätzlichen Ruhetag einlegen werde.

Krimmler Tauernhaus - Kasern im Ahrntal
Krimmler Tauernhaus - Kasern im Ahrntal