von ganz oben komm ich her
von ganz oben komm ich her

Nachtrag zum 31.08.2011:

Meine beiden Radlfahrer kommen aus Bad Tölz, sind insgesamt 2 Wochen mit dem Fahrrad unterwegs. Endpunkt der Radl-Tour ist Brixen. Von dort geht’s mit dem Zug zurück bis Mittenwald. Den Rest bis Bad Tölz schwingen sie sich wieder auf’s Rad. Auch so kann man mal Urlaub machen. Find ich unbedingt nachahmenswert.

 

02.09.2011: Kasern – Luttach, 21 km

Der gestrige Ruhetag hat mir sehr gut getan. Hab den Tag aber nicht nur gefaulenzt, sondern auch gewaschen und natürlich auch Büroarbeit erledigt. Eine Stunde Kampf hat mich wieder die Einwahl bei der italienischen Telefongesellschaft Wind gekostet. Formfehler bei der Eingabe der erforderlichen Daten per SMS und Rückantworten in italienischer Sprache machten mir das Leben schwer. Es klappte dennoch. Nun kann ich für 14,-- Euro pro Monat von Italien aus ins Internet. Das ist wichtig, denn was wäre das Leben ohne Internet!

Meine heutige Route ist nicht besonders erwähnenswert. Auf geradem Weg von Kasern hinab nach Luttach, immer der Landstraße entlang, teilweise ohne Gehweg. Das war lästig. Zwischendurch mal die Füße ausgepackt und kontrolliert, denn es drückte ein kleines Bläschen am linken großen Zeh. Kleines Pflaster drauf und weiter. Um 14,30 Uhr im Hotel Martinshof kurz vor Luttach nach einem 3-Bettzimmer gefragt und bekommen. 3-Bettzimmer? Heute abend bekomme ich Besuch aus der Heimat: Meine Tochter Christina und mein Lieblings-Enkelkind Janina und natürlich Oskar, der beste Labrador-Hund der Welt, wollen den morgigen Tag mit mir verbringen.

02.09.2011: Kasern - Luttach
02.09.2011: Kasern - Luttach
Das Ahrntal bei Luttach
Das Ahrntal bei Luttach

04.09.2011: Luttach – Brunneck, 22 km

 

Am Freitag abend um 19,30 Uhr sind meine beiden Engel in Luttach eingetroffen. Es hatte geklappt wie am Schnürchen. Kurz nach 20,00 Uhr saßen wir beim Abendessen. Nun hatte ich im Laufe des Nachmittags einen Anruf von Marco erhalten, er sei momentan auf dem Weg zu einem Seminar nach Assisi, will aber nicht die ganze Nacht durchfahren. Deshalb macht er ebenfalls einen Abstecher herauf zu uns ins Ahrntal, wird aber nicht von 21,30 Uhr da sein. Zimmer muss er keins bekommen, denn spätestens am Samstag morgen um 3,00 Uhr fährt er weiter, da er um 9,00 Uhr in Assisi sein will. Notfalls schlafe er auch im Auto. Sind wir nicht eine bewegliche Familie? Also habe ich die Erlaubnis des Hotels eingeholt, Marco für einige Stunden bei uns mit ins 3-Bettzimmer zu nehmen und für 21,30 Uhr eine Brotzeit reservieren lassen. Alles kein Problem und ohne Aufpreis. Danke an das Hotel Martinshof, wo eine überaus freundliche und familiäre Atmosphäre herrscht. Wir haben alle gut geschlafen, nur Marco zu kurz, denn um 2,30 Uhr machte er sich auf die Weiterreise.

Am Samstag schliefen wir uns erst mal gründlich aus. Mit Kind und Hund begaben wir uns um 11,00 Uhr auf eine kleine Bergtour. Dauer: 4 Stunden, Länge: knapp 7 Kilometer und ca. 200 Höhenmeter! Den Rest des Tages haben wir ausklingen lassen. Janina hatte im Hotel sofort Freundschaft geschlossen mit dem gleichaltrigen Mädchen einer Urlauber-Familie aus Rom. Familie aus Rom? Da wurde ich doch gleich hellhörig. Über eine Mitarbeiterin des Hotels habe ich Kontakt mit den Leuten aufgenommen. Die Buchautoren Simone und Anton Ochsenkühn, hatten in Ihrem Buch „Franziskusweg – Leben atmen“ darauf hin gewiesen, dass die letzten 25 km nach Rom hinein nicht für Pilger geeignet seien, da man durch große Industriegebiet muss und es nur Autobahn-ähnliche Ausfallstraßen gäbe. Ich ließ fragen, ob dies wirklich so sei und ob es nicht doch Möglichkeiten gibt, auch die letzten Kilometer zu laufen. Die Frau lachte und meinte, sie würde sich hierüber keine Gedanken machen. Denn wer so weit zu Fuß gelaufen sei, der ist auch schon 25 km vor Rom in Rom. Capisco? Kurz und gut: Ich hinterließ Tel.-Nr. und mail-Adresse. Der Vater der Römerin würde deutsch sprechen und wird mit mir bei Gelegenheit Kontakt aufnehmen, um mir zu sagen, ob es Sinn macht oder nicht. Beziehungen sind eben das halbe Leben!

Am Samstag früh nach dem Frühstück verabschiedete ich mich von Christina und Janina. Die beiden wollten noch das ehemalige Kupferbergwerk in Prettau besichtigen und ich machte mich auf den Weg nach Süden. Wir vereinbarten, uns um die Mittagszeit irgendwo vor Brunneck noch mal treffen, evtl. zu einem kleinen Mittagessen. Es klappte tatsächlich. Ich war bereits 18 km bis nach Geis marschiert, das liegt ca. 4 km vor Brunneck. Da wir dort aber kein Restaurant fanden, entschlossen wir uns, nach Brunneck rein zu fahren. Und ich hatte keine Hemmungen, die 4 km mitzufahren! Mitten in der Stadt genehmigten wir uns eine leckere Pizza vor einem Hotel. Ah, Hotel! Ich fragte die Bedienung, ob denn für mich noch ein Zimmer frei wäre. Und schon hatte ich wieder eine Bleibe! Nach der Pizza verabschiedeten wir uns ein zweites mal. Es wäre heute leicht gewesen, nach 2 Wochen Wanderschaft mit nach Hause zu fahren. Ich kann euch beruhigen, ich bin nicht in Versuchung gekommen. Es waren 2 schöne Tage mit Christina und Janina und ich habe mich auch sehr gefreut, Marco zu sehen, wenn auch nur für einige wenige Stunden. Danke, dass ihr euch die Zeit genommen habt, mal bei Vatern vorbeizuschauen.

meine 3 Begleiter am Samstag
meine 3 Begleiter am Samstag
04.09.2011: Luttach - Brunneck
04.09.2011: Luttach - Brunneck
Kartoffeln im Straßenverkauf bei St. Lorenzen
Kartoffeln im Straßenverkauf bei St. Lorenzen

 

05.09.2011: Brunneck – Hörschwang

 

Um 9,30 h verließ ich Brunneck in westliche Richtung. Ich hatte es nicht eilig, denn meine heutige Strecke betrug nur 11 km, dafür aber 500 Höhenmeter. Im Hotel in Brunneck wollte man mir einreden, bis nach Lüsen in einem Tag zu kommen, sei kein Problem. Ich sah mir die Sache genauer an und stellte erschrocken fest, ich hätte 23 km gehen müssen bei 1300 Höhenmeter. Nicht mit mir, da mache ich 2 Tage draus! Ich habe nun mehrfach die Erfahrung gemacht, dass du dich kaum auf solche Aussagen verlassen kannst, selbst nicht auf die von Einheimischen. Logische Folgerung: Traue nur dir selber! So führte mich der Weg herauf nach Hörschwang auf 1300 m Höhe. Die letzte Stunde musste ich leider im Regen gehen. Ich wohne in einem bescheidenen Berggasthof, habe ein passables Zimmer und einen tollen Blick hinunter nach Brunneck. Leider nur immer wieder vernebelt. Aber, der Regen hat mittlerweile aufgehört, es hellt sich langsam auf. Morgen will ich am Würzjoch übernachten, um am Mittwoch dann endlich in den Dolomiten-Höhenweg 2 Brixen – Feltre einzuschwenken. Dann geht’s einige Tage nur noch von Hütte zu Hütte.

05,09.2011: Brunneck - Hörschwang
05,09.2011: Brunneck - Hörschwang
06.09.2011 - Brunneck unter'm Grauschleier
06.09.2011 - Brunneck unter'm Grauschleier

Nachtrag zum 05.09.2011:

Beim Abendessen lernte ich ein Ehepaar aus den Niederlanden kennen. Die beiden sind auf der Rückreise von Griechenland. Er 54, sie 53 Jahre. Vor 5 Jahren verkauften sie ihren Betrieb und arbeiten seit dieser Zeit während der Sommermonate in Griechenland als Skipper. Dieses Jahr brachen sie früher ab, nachdem es Differenzen mit den griechischen Partnern gegeben hatte. Im nächsten Jahr will man sich in Griechenland neu orientieren, Kontakte sind bereits geknüpft. Interessant, was die beiden über die derzeitigen griechischen Verhältnisse zu berichten wussten. Fazit: Griechenland ist mit den vielen EU-Milliarden von heute auf morgen nicht zu retten. Das wird eine ganze Generation dauern.

 

06.09.2011: Hörschwang – Würzjoch

Meine heutigen Daten: 7 Stunden unterwegs, 17 km zurückgelegt, 800 Höhenmeter erklommen, in der Summe sogar über 1100 m. Sonnig, angenehme Temperaturen, keine Blasen, es geht voran. Ich wohne heute im Hotel „Utia de Börz“ am Würzjoch auf 2000 m Höhe. Um ca. 14,30 Uhr hatte ich die Wahl, ca. 150 m abwärts nach Untermoja zu gehen, oder ca. 350 m aufwärts zum Würzjoch. Wäre ich hinab, hätte ich morgen 500 m Höhe mehr bewältigen müssen. Also, lieber heute noch die 350 m nach oben. Risiko dabei: Das erwähnte Hotel ist das einzige auf dem Würzjoch und ich konnte nicht anrufen, weil der Akku meines Handys schlapp gemacht hatte. Bin also auf gut Glück noch 1,5 Stunden bergauf marschiert. Zimmer bekommen – Glück gehabt. Unterschied: Gestern 35,-- Euro bezahlt für Halbpension, heute 65,--! Das Pilgerdasein ist nicht ganz billig!

Morgen hatte ich geplant, zur Schlüterhütte auf 2300 m aufzusteigen und dort auch zu übernachten. Auf einer Beschreibung dieser Route im Hotel las ich, dass bis zur Schlüterhütte nur 2,5 Stunden Gehzeit sind. Ich werde versuchen, bis zur Puez-Hütte zu kommen. Die Entfernung bzw. Gehzeit bis dahin muss ich mir allerdings nochmal ansehen.

06.09.2011: Hörschwang - Würzjoch
06.09.2011: Hörschwang - Würzjoch
ein Teil der Weisendorfer Wandergruppe
ein Teil der Weisendorfer Wandergruppe

07.09.2011: Würzjoch – Puez-Hütte, 16 km

 

„Dieser Weg wird kein leichter sein …“, hab ich mir heute früh gedacht, als ich mich entschloss, die Schlüterhütte auszulassen. Er war noch ein Stück schwerer! Dafür war es der bisher eindrucksvollste Tag auf meiner nun bereits 18 Tage dauernden Reise. Aber auch der anstrengendste. Mehrmals musste ich mir sagen: „Schmitt, du packst es!“ Ich war 7,5 Stunden unterwegs. Es ist alles gut gegangen. Gestartet auf einer Höhe von 2000 m hinauf auf 2600 m, hinunter auf 2300 m, nochmal hinauf auf 2700m und wieder hinab zur Hütte auf 2475 m. Dabei 16 km zurückgelegt. Die atemberaubende Kulisse der Dolomiten und ständig wechselnde Landschaftsbilder muss man erlebt haben, das kann man nicht beschreiben! Beim Aufstehen heute früh hatte ich es überhaupt nicht eilig, denn ich wollte wirklich nur bis zur Schlüterhütte gehen. Der Besitzer des „Utia de Börz“ hatte mich dazu ermuntert, doch bis zur Puez-Hütte zu gehen. Das wären nur ca. 5 ½ Stunden reine Gehzeit, und wenn man oben an der der Schlüterhütte vorbei ist, geht es immer schön auf der Höhe weiter. Ich stelle im Nachhinein fest, dass 200 – 300 m für Einheimische keine Höhenunterschiede sind. Liebe Ansbacher von der Medalges-Alm (falls ihr mitlest): Sagt eurem Hauswirt, er sollte bei seiner Einschätzung der Gehzeiten ein Plus von ca. 75 % für Flachlandtiroler einrechnen! Heute muss ich wieder mit einem Bettenlager vorlieb nehmen. Der Schlafraum ist mit ca. 15 Personen voll belegt. Es herrscht bedrückende Enge. An der Dusche steht man Schlange. Ich werd‘ mich mit der Zeit an’s Hüttenleben auch noch gewöhnen, vermissen werde ich es bestimmt nicht, wenn meine Reise zu Ende ist. Morgen geht’s runter zum Grödnerjoch und wieder hinauf auf die Pisciadu-Hütte im Sella-Massiv.

 

08.9.2011 – Puezhütte – Pisciaduhütte, 11 km

 

Gestern, kurz vor Erreichen der Puezhütte bin ich auf eine Gruppe fränkischer Wanderer gestoßen. Sie kammen aus Weisendorf! „Kriegskollege“ Fritz Schmidt aufgepasst: Auf meine Frage, ob sie Rezelsdorf kennen und vielleicht auch einen Fritz Schmidt, meldet sich eine Frau aus der Gruppe namens Sabine: „Ich kenne ihn, der ist bei uns im ASV Weisendorf im Ausschuß tätig.“ Darauf ich: „Ich weiß, der macht bei euch die Bandenwerbung.“ Ich habe mit den 4 überaus netten Paaren den Abend zusammen gesessen und wir hatten auch am heutigen Tag den gleichen Weg. Nun sitzen wir gemeinsam in der Pisciaduhütte. Morgen allerding trennen sich unsere Wege, da sie wieder hinabsteigen ins Grödnertal. Wir haben vereinbart, nach meiner Rückkehr aus Rom beim Lunz in Rezelsdorf einen Abend zu verbringen, wo ich über meine Reiseerlebnisse berichte. Der heutige Tag war etwas weniger anstrengend, dafür aber noch aufregender als der gestrige. Der Aufstieg zur Pisciaduhütte durch das Val Setus war überwältigend. Die letzten 50 m Höhe waren zwar noch kein richtiger Klettersteig, aber durchgehend mit Seilsicherungen versehen. Ich habe die letzten zwei Tage vergessen, dass ich eigentlich auf dem Weg nach Rom bin, so hat mich die Dolomitenwelt fasziniert. Ich habe gestern und heute einen Württemberger und 2 Holländer kennen gelernt, die ebenfalls den Dolomitenweg 2 gehen. Zumindest morgen werde ich mich den dreien anschließen. Wir wollen morgen bis zum Fedaiasee am Fuße der Marmolada kommen. Das Wetter soll gut werden. Heute war es den ganzen Tag bedeckt und zeitweise sehr windig. Gestern hatte ich keine Internet-Verbindung. Heute müsste es klappen.

Marmolada mit Fedaja-Stausee
Marmolada mit Fedaja-Stausee

 

 

09.09.2011: Pisciaduhütte - Rifugio Viel del Pan, 12 km

 

Heute habe ich zusammen mit Michael aus Stuttgart die Mondlandschaft des Sella-Hochplatteaus „durchwandert“, unser höchster Punkt war die Boehütte auf 2 873 m. Die Gulaschsuppe kostet dort 8,50 Euro! Über Höhenmeter will ich nicht mehr sprechen, habe mich an das Auf und Ab langsam gewöhnt. Wir sind über die Pordoischarte abgestiegen und erreichten um 14,00 Uhr das Pordoijoch auf 2242 m. Nach kurzer Rast sind wir auf den bekannten Bindelweg eingeschwenkt, der als einer der schönsten Wege in den Dolomiten beschrieben wird. Halbrechts vor uns die ständige Aussicht auf den gletscherbedeckten Osthang der Marmolada und den blau heraufschimmernden Fedaja-Stausee. Auf einer Höhe von ca. 2400 m gelangten wir an das Rif. Viel del Pan, wo wir uns ein Bier genehmigten. Von der Aussicht derart fasziniert, machte ich meinem Wanderkollegen klar, dass ich hier mein Nachtquartier aufschlagen werde. Das Viel del Pan ist eine private Schutzhütte, also keinem Alpenverein angeschlossen. Deshalb vermutlich etwas teurer, dafür aber sauberer, geräumiger und ich bin in einem 8-Bettenlager der einzige Schlafgast. Hier kann ich heute in Ruhe meine schmutzigen Sachen waschen und auf dem Balkon mittels Wäscheständer zum Trocknen aufhängen. Diesen „Luxus“ bekommst du auf keiner Alpenvereinshütte! Michael ging noch eine Stunde weiter hinab zum Fedaiasee. Er hat den Ehrgeiz, von dort morgen früh über die Marmolada zu gehen, also wieder hoch auf fast 3000 m einschließlich Gletscherüberquerung. Der Wirt hier hat mir erklärt, ohne Steigeisen ist das nicht machbar. Falls er die Marmolada doch überquert, werden wir uns am Sonntag abend am Passo Pellegrino wieder treffen. Ich nehme die leichtere Variante über die Malga Ciapela, muss dafür aber ca. 10 km Passstraße in Kauf nehmen. Hat aber den Vorteil, dass ich morgen abend wieder in einem Hotel nächtigen kann.

09.09.2011: Pisciaduhütte - Rif. Viel del Pan
09.09.2011: Pisciaduhütte - Rif. Viel del Pan
das Rif. Viel del Pan auf 2430 m
das Rif. Viel del Pan auf 2430 m

 

10.09.2011: Rif. Viel del Pan - Malga Ciapela, 11 km

 

Bin meinem Ziel heute wieder 11 km näher gekommen. Ohne große Anstrengung, denn es ging ca. 900 m gemütlich bergab. Für den Rest des Bindelweges gegenüber der Marmolada habe ich 2 Stunden gebraucht, das ist fast die doppelte Zeit wie angegeben. Denn bei so einem Kaiserwetter bekommst du die Aussicht auf die Königin der Dolomiten so schnell nicht mehr, habe ich mir gedacht. Vom Fedaiasee, der 400 m tiefer liegt war ich dann in weiteren 2,5 Stunden unten in Malga Ciapela auf 1450 m, immer die Schipiste entlang bzw. auf der grünen Wiese neben der Passstraße.

Michael aus Stuttgart hat die Marmolada-Überquerung tatsächlich geschafft. Hat mir per SMS mitgeteilt, dass es sehr anstrengend war und er ganz schön geschlaucht ist. Wir werden morgen abend also wieder auf der Fuchiade-Hütte auf der Westseite der Marmolada zusammentreffen. Kleine Epispode, was dir beim Hüttenleben so wiederfahren kann: Gestern abend hab ich mich in der „Viel del Pan“ über die reichlich vorhandenen Steckdosen gefreut. Also vor dem Schlafengehen meine 3 Ladegeräte (Handy, Notebook und Foto bzw. GPS-Gerät) angestöpselt. Heute früh verabschiedete sich mein Telefon jedoch sofort wieder nach dem Einschalten. Akku leer! Rätsels Lösung: Um 22,00 Uhr wird auf der Hütte der Stromgenerator abgeschaltet. Nachdem man aber die ganze Nacht Licht einschalten konnte, dachte ich doch nicht an so was. Ich habe nachgefragt: Die Nachtbeleuchtung wird von einem Akku gespeist, Steckdosen bleiben stromlos. Muss man alles erst mal wissen.

Ich hab gestern mal nachgerechnet: Bis heute habe ich ca. 260 Kilometer zurückgelegt. Wenn ich am 20. Oktober in Rom sein will, müsste ich ab heute täglich 21,4 km laufen. Das werde ich nicht schaffen, denn ich brauche für den Rest der Alpen noch fast bis Ende kommender Woche. Ich muss mich ein wenig sputen! Bin schon am Überlegen, ob ich die Höhen nicht nächste Woche verlasse und runter auf die Straße gehe. Stellt euch schon mal drauf ein, dass ich einige Tage verlängern muss!

Hallo Gertraud, danke für die guten Wünsche. Ist doch klar, dass ich auch euch von meinem Trip berichte, wenn es gewünscht wird. Meine Verfassung ist gut. Das Gewicht auf dem Rücken wird von Tag zu Tag erträglicher und auch meine Gelenke und Füße sind (noch) in Ordnung. Eine kleine Blase ist überstanden, ich bin zuversichtlich, dass keine neuen mehr nachkommen.

 

Rif. Viel del Pan - Malga Ciapela
Rif. Viel del Pan - Malga Ciapela
schaut doch ganz harmlos aus, oder?
schaut doch ganz harmlos aus, oder?

11.09.2011: Malga Ciapela – Passo die Valles, 22,5 km

 

Heute ist es sehr gut gelaufen. Mein Ziel war der Passo Pellegrino, gekommen bin ich auf den 2,5 Std. weiter im Süden liegenden Passo di Valles. Das lag aber in erster Linie an Ute aus Villingen-Schwennigen, die mich motiviert hat, noch ein Stück weiter zu gehen. Ute ist ein sehr nettes, ehrgeiziges Mädchen Mitte 40, das ebenfalls auf dem Dolomitenweg 2 nach Feltre unterwegs ist. Getroffen haben wir uns heute früh auf dem Weg zur Forca Rossa und haben gemeinsam in fast 9 Std. 22,5 km zurückgelegt. Dass wir dabei auch fast 1500 Höhenmeter schafften, sei nur nebenbei erwähnt. Michael, mein Partner vom Vortag, wollte nach seiner erfolgreichen Marmolada-Überquerung nur bis zur Fuchiade-Hütte gehen, wo er auch sein Nachtquartier aufschlug. Wir haben uns um 15,00 Uhr dort auch kurz getroffen. Im Rifugio Capanna Passo Valles habe ich ein Einzelzimmer mit Frühstück für 28,-- Euro bezogen. Im Wanderführer steht: „Ein gut geführtes privates Schutzhaus, das sich auch für einen längeren Aufenthalt eignet.“

 

12.09.2011: Passo Valles – Rif. di Rosetta

13.09.2011: Rif. di Rosetta – Rif. Treviso

14.09.2011: Rif. Treviso – Passo Cereda

 

Zusammenfassung obiger 3 Tage:

 

Ab dem Passo di Valles gelangten wir “in das Reich der Palagruppe, eines der großartigsten und ausgedehntesten Massive der Dolomiten.“ So die Beschreibung im Rother Wanderführer. Nach dem Bindelweg der Höhepunkt der Dolomitenweitwanderroute Nr. 2. Ich zitiere weiter aus dem Wanderführer: „Weit reichende Fernblicke und imposante Felszenerien beeindrucken den Bergwanderer.“ Dem brauche ich nichts mehr hinzuzufügen. Das Wetter spielt ebenfalls mit, es ist ein Tag schöner als der andere. Vom 11. bis 13.09.2011 waren wir jeweils fast 9 Stunden täglich unterwegs, was mich ein gutes Stück nach vorne gebracht hat. Wenn ich den heutigen Tag mit einrechne, haben wir an 4 Tagen insgesamt 3800 Höhenmeter nach oben und 4200 Höhenmeter nach unten bewältigt. Macht euch aber keine Sorgen, meine Verfassung ist sehr gut. Am Freitag um die Mittagszeit werden wir das Ende des Dolomiten-Höhenweges Nr. 2 erreichen. Ich gehe dann weiter in Richtung Monte Grappa bzw. Bassano, Ute wird dann versuchen, per Bus und Bahn zur ihrem Auto nach Brixen (dort hat sie ihre Tour begonnen) zu gelangen, um die Heimreise nach Vöhrenbach im Schwarzwald anzutreten. So beeindruckend die Berge auch waren, ich freue mich auf die Ebene, wo ich dann endlich mal Kilometer machen kann. Die Zusammenfassung der 3 Tage war nötig, weil ich aufgrund der langen Touren zwischen Ankunft auf der Hütte und Abendessen keine Zeit mehr hatte, die Berichte zu schreiben. Im Bettenlager kannst du nach dem Abendessen keinen Laptop auspacken. Zudem gab es auf den Hütten keine Internetverbindung. 

die beiden haben uns heute am Passo Cereda begrüßt
die beiden haben uns heute am Passo Cereda begrüßt
11.09.2011: Malga Ciapela - Passo di Valles
11.09.2011: Malga Ciapela - Passo di Valles
12.09.2011: Passo di Valles - Rif. di Rosetta
12.09.2011: Passo di Valles - Rif. di Rosetta
13.09.2011: Rif. di Rosetta - Rif. Treviso (hier spielte das GPS verrückt wegen der hohen Felsentürme)
13.09.2011: Rif. di Rosetta - Rif. Treviso (hier spielte das GPS verrückt wegen der hohen Felsentürme)
14.09.2011: Rif. Treviso - Passo Cereda
14.09.2011: Rif. Treviso - Passo Cereda
Stimmung am Passo Croce d' Aune
Stimmung am Passo Croce d' Aune

 

15.09.2011: Passo Cereda – Rif. Bruno Boz

16.09.2011: Rif. Bruno Boz – Croce d’Aune

 

Nach 2 weiteren Tagen mit 8 bzw. 9 Std. Gehzeit haben wir am 16.09.2011 Croce d’Aune, das Ende des Dolomiten-Höhenweges erreicht. „Die lange Querung unter den wuchtigen Ost- und Südabstürzen ist als Höhenweg kaum zu überbieten,“ so steht es im Wanderführer. Anschließend steht aber auch: „Ungewöhnlich anstrengende Wanderung, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind an etlichen Stellen unbedingt erforderlich.“ Wir haben es geschafft! Die letzte Hütte, Rif. Bruno Boz, war die Schönste. Nicht so enge Lager, uriger Gastraum, sehr freundliche Pächter und herzliche Begrüßung beim Ankommen vor der Hütte. Beim Abendessen saßen wir mit 4 italienischen Bergwanderern an einem Tisch zusammen und hatten eine gute Unterhaltung. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Ute ein wenig Italienisch kann und einer der Italiener auch einigermaßen Deutsch sprechen konnte. Ich bin am Ende mit dem Hüttenleben ganz gut zurecht gekommen. Hätte nicht gedacht, dass man mit „wildfremden“ Leuten aller Nationen auf so engem Raum nächtigen kann. Dabei können sich auch gute Gespräche und Freundschaften entwickeln, gell Ute! Die letzten 3 Tage begleiteten uns auch ein Niederländisches junges Paar, Brechje und Micheo, sowie eine Frau aus Kassel. Auf der letzten Etappe haben wir uns auch noch verlaufen. Nach 2 km kam uns zum Glück unsere Hüttenwirtin mit dem Auto entgegen, nahm uns wieder 1 km mit hoch und zeigte uns die Abzweigung, an der wir falsch gelaufen waren. Man muss eben auch mal Glück haben. Heute früh (17.09.2011) fuhr Ute, mein Schwarzwald-Mädel um 7,15 Uhr mit Bus runter nach Feltre, um von dort weiter nach Trient und mit der Bahn zurück nach Brixen, dem Ausgangspunkt des zweier Höhenweges zu gelangen. Von dort geht’s mit dem Auto zurück in den Schwarzwald. Wir haben uns sehr gut verstanden und ich werde sie vermissen. Ich mache mich nun auf den Weg zum Monte Grappa über Feltre. Zwar ist es hier schon noch hügelig, ich komme aber langsam in die Ebene, wo ich mir nach dem „Höhentraining“ der letzten 2 Wochen ca. 25 km pro Tag zutraue. Wo ich heute abend lande, kann ich noch nicht sagen. Ich werde berichten.

16.09.2011: Passo Cereda - Rif. Bruno Boz
16.09.2011: Passo Cereda - Rif. Bruno Boz
Sonnenaufgang am Passo Croce d'Aune
Sonnenaufgang am Passo Croce d'Aune

 

17.09.2011: Passo Croce d’Aune – Seren del Grappa, 19 km

 

Heute habe ich es langsam angehen lassen. Erst um 10,00 Uhr machte ich mich auf den 10 km langen Weg über die Passstraße hinunter nach Feltre. War zwar ein kleiner Bogen, den man vielleicht hätte abkürzen können, hatte aber um 12,00 Uhr gerade noch die die Möglichkeit, Obst und Prosciutto di Parma einzukaufen, bevor die Läden schlossen (jetzt muss ich auf die Siesta-Zeiten achten, schließlich bin ich jetzt im „richtigen“ Italien.) Ich habe für 1 Pfund sehr süße Weintrauben 1 Euro bezahlt. Ich glaube, die Ladenbesitzerin hatte Mitleid mit mir. Ich habe ihr nämlich erzählt, dass ich auf dem Weg nach Rom bin. Sie hat mich sofort auf die nächste Busverbindung in Richtung Bassano del Grappa hingewiesen. Das ist typisch für die Italiener. Warum denn laufen, wenn auch Bus und Bahn dorthin fahren. Obst und Schinken sind auf den Hütten nicht zu bekommen, das hat mir schon lange gefehlt. Um 15,00 Uhr traf ich nach ca. 19 km in Seren del Grappa ein. Zwar hätte ich noch 2 Stunden laufen können, doch von hier bis zum Monte Grappa sind noch ca. 20 km und vorher gibt es keine Übernachtungsmöglichkeit mehr. Nun sitze ich in einem schnuckeligen kleinen Dorfhotel, bitte nicht verwechseln mit „Landhotel.“ Ich hab ein Bett und eine Dusche, was brauche ich mehr. Heute abend gibt es bei La Mama Pizza. Il Forno ist schon angeheizt. Pizza – wann habe ich das letzte Pizza bekommen? Ist schon eine Ewigkeit her! Bevor ich jetzt anfing zu schreiben, habe ich erst mal wieder gewaschen. Mein Vorrat an frischer Wäsche hatte sich während der letzten Hüttentage stark reduziert. Für die nächsten 2 Tage ist schlechtes Wetter angesagt. Es könnte sein, dass ich deswegen morgen erst mal einen Tag hier sitzen bleibe, falls es stärker regnet. Das kann ich mir leisten, schließlich hatte ich in 4 Wochen einen einzigen Regentag! Bitte nicht neidisch werden, jeder so wie er es verdient.

17,09.2011: Croce d'Aune - Seren del Grappa
17,09.2011: Croce d'Aune - Seren del Grappa