18.10.2011: Assisi – Spello, 22 km
Mit dem heutigen Tag habe ich den letzten und entscheidenden Abschnitt meiner Reise begonnen. Ab morgen bleiben mir theoretisch noch 15 Tage bis Rom. Könnte sich höchstens noch um einen evtl. Regentag oder auch einen nochmal notwendig werdenden Ruhetag verlängern. Ich habe aber gestern bereits meinen Rückflug gebucht. Den Termin verrate ich euch aber noch nicht. Frohen Mutes verließ ich heute früh Assisi, nachdem ich bei den Klarissinnen um 7,00 Uhr noch an einem Gottesdienst teilgenommen hatte. Ich kam aber erst um 9,30 Uhr los, weil wir nach dem Frühstück noch ein wenig sitzen blieben. Die Schwestern hatten mich gebeten, eine Rückmeldung zu machen, wenn ich in Rom angekommen bin. Das Kloster ist immerhin auch schon über Internet erreichbar. Am Rande: Gestern ist auch ein deutsches Ehepaar aus Oberbayern eingetroffen. Beide sind 70 Jahre und besuchen jährlich zweimal ihre beiden Töchter, die seit über 20 Jahren bei den Klarissinnen in Assisi sind. Sie dürfen am Nachmittag jeweils für 1 ½ Stunden im Sprechzimmer mit ihren Kindern reden.
Wie geplant, habe ich auf dem Weg über den Monte Subasio eine halbe Stunde inne gehalten bei der Eremo di Carceri. Dort habe ich so gegen 11,00 Uhr die letzten Leute getroffen. Bis zum Ziel in Spello um 16,30 Uhr begegnete mir keine Menschenseele mehr! Abgesehen von den Höhenmetern war es eine sehr schöne Tour über den Monte Subasio mit herrlichen Ausblicken in alle Himmelsrichtungen, besonders hinunter nach Assisi. Ich fand in Spello wieder ein ganz passables Hotel zu einem moderaten Preis von 35,-- Euro mit Frühstück. Zum Abendessen traf ich mich mit Erik, der sich per SMS meldete, in einer kleinen typischen Osteria. Wir sind nicht zusammen gelaufen. Erstens ist er schneller als ich und zweitens ging er auch eine Stunde früher los.
Jetzt kann ich meine Reise von Tag zu Tag mehr überschauen. Und jeder Tag, an dem ich laufe, ist ein Tag weniger. Wenn ich an die ersten Tage denke, wo ich den Inn aufwärts gelaufen bin, kommt es mir vor, als wäre es schon vor einem Jahr gewesen. Wo ist nur die Zeit hingekommen! Ich mache mir manchmal schon Gedanken, was wohl in mir vorgeht, wenn ich in Rom einlaufe. Ich habe heute noch überhaupt keine Vorstellung davon. Sicher ist, dass ich nicht mit Bahn oder Bus reinfahren werde, denn das würde ich mir ewig vorwerfen, wenn ich wieder zuhause bin. Im Reiseführer von Eric ist der Weg bis nach Rom hinein beschrieben. Das werde ich mir die nächsten Tage mal ansehen. Wenn nichts dazwischen kommt, werden wir die letzten Etappen gemeinsam gehen.
Heute war einmal mehr ein sonniger Tag bei Temperaturen um 18-20 Grad. Aber auch immer wieder ein frischer Wind. Der Wetterbericht hat die angekündigten Regenschauer von morgen auf Donnerstag verschoben. Dann soll’s bis Freitag leicht unbeständig bleiben, Samstag und Sonntag wieder trocken. Damit kann man doch leben.
19.10.2011: Spello – Montefalco, 21 km
Heute war’s vorbei mit dem azzurroblauen italienischen Himmel. Pünktlich zu meinem Start um 9,00 Uhr setzte leichter Regen ein, der mich mit einigen kleinen Unterbrechungen bis Montefalco begleitete. Man kann zwar auch im Regen laufen, aber es bringt eine Menge Unannehmlichkeiten mit sich. Du kommst nicht mehr so leicht an‘s GPS ran, die Wegbeschreibung muss durch zwei Hosen herausgekramt werden, mit den nassen Händen kannst du schlecht in die Hosentaschen greifen, die Brille beschlägt laufend und einiges mehr. Aber ich beklage mich nicht nach der langen Schönwetterperiode. Morgen wird es nochmal regnen, ab Freitag soll’s wieder besser werden. Das muss ich durchstehen.
Montefalco ist ein typisches altes Städtchen, wie ich auf meinem Weg schon viele gesehen habe. Ich denke, man lebt hier von Olivenöl und Wein. Es gibt viele kleine Enotecas mit landestypischen Produkten, in erster Linie Olivenöl. Man bekommt den Liter für 8,-- Euro im 5 Ltr. Kanister. Ist billiger wie in Ligurien. Leider kann ich keines kaufen, denn mein Rucksack ist eh schon schwer genug. Nachdem ich mich kulitiviert hatte, bin ich zum Friseur und habe mir einen „italienischen Schnitt“ verpassen lassen. Der Majestro hat sein Handwerk verstanden, ich war sehr zufrieden. Es gibt auch ein paar feine Ristoranti hier und ich freue mich jetzt auf’s Abendessen. Die Etappe war heute nicht anstrengend, es ging weitgehends in der Ebene und auf angenehmen Wegen. Lediglich nach Montefalco herauf waren 350 Höhenmeter zu bewältigen. Die mittelalterlichen Städtchen liegen halt meist auf der Höhe.
20.10.2011: Montefalco - Spoleto, 26 km
Die gute Nachricht zuerst: Wir (Erik und ich) mussten heute keine Rucksäcke schleppen. Die schlechte: Wir hatten auf der gesamten Strecke leichten Dauerregen. Zu den Rucksäcken: Emanuela Brizi, die Besitzerin der Frantoio Brizi, wo wir wohnten, bot uns an, unsere Rucksäcke nach Spoleto mitzunehmen, da sie heute dort etwas zu besorgen hätte. Wir nahmen es dankend an, konnten wir uns so befreit besser auf den Regentag einstellen. So legten wir unsere 26 km in Rekordzeit von knapp 5 Stunden zurück. Nun waren wir um 14,30 Uhr im Hotel in Spoleto, unsere Rucksäcke wurden von der guten Emanuela erst um 18,00 Uhr angeliefert. Eine Stunde später, wie vereinbart. Was bedeutet in Italien schon eine Stunde! Das Hotelzimmer war zum Glück schon leicht beheizt. Die fürsorgliche Art von "Mama Emanuela" war schon fast erdrückend. Sie gab 1000 Hinweise und Erklärungen, die ich alle nicht verstand. Sie sprach aber auch englisch und Eric übersetzte mir das Wichtigste. Wie ich gestern Abend meine Wegbeschreibung hinlegte für den Pilgerstempel, strahlte sie über’s ganze Gesicht und sagte: „Aah, Ochsenkühn, Simone und Toni aus Augsburg“. Sie hatte die beiden Autoren, die den Franziskusweg aufgrund ihrer Reise im Jahr 2009 beschrieben hatten, also noch gut in Erinnerung. Heute nach dem Frühstück bekamen wir auch noch eine Führung durch die Ölmühle und durften das Öl nachher auch verkosten. Als ich ihr sagte, "Ich liebe Olivenöl", strahlten ihre Augen wieder. Man presst für die eigene Vermarktung ca. 6000 ltr. jährlich, arbeitet aber auch noch im Lohnverfahren. 100 kg Oliven ergeben je nach Jahr und Sorte ca. 14 ltr. Öl. Da ein 5 ltr. Kanister nach Deutschland 29,-- Euro Fracht kostet, ist es uninteressant, eines zu bestellen. Allerdings verkauft sie den Liter in der Flasche ab Hof auch nicht mehr unter 12,-- Euro.
Wir haben den Regentag ohne Rucksäcke gut verkraftet. Morgen geht es wieder 750 m in die Höhe, die Strecke beträgt aber nur 11 km und das Quartier ist ein von den Ochsenkühn’s in höchsten Tönen gelobter Agriturismo. Ich lasse mich überraschen. Das Wetter ist für morgen noch nicht sauber, allerdings könnte dem Wetterbericht nach ab und zu mal die Sonne wieder durchkommen.
21.10.2011: Spoleto – Patrico, 13 km
Nach einem gewohnt dürftigen Frühstück bin ich um 8,45 Uhr gestartet. Himmel bedeckt, kein Regen, Temperatur 9 Grad. Der Sommer hat ohne Herbst auf Winter umgeschaltet! Der Weg hinauf zum Kloster Monteluco führte erst mal durch‘s „Centro Storico“, der historischen Altstadt, wo die Besichtigung des Domes Pflicht war. Danach nicht minder interessant die Ponte delle Torri, eine sehenswerte Steinbrücke aus der Römerzeit, die eine ca. 50 m tiefe Schlucht überbrückt und alle Erdbeben der vergangenen Jahrhunderte überstanden hat. Nach einer kurzen Visite des Klosters Monteluco , 400 Höhenmeter waren bis hierher schon geschafft, machte ich mich an die restlichen 300 m hinauf zum Agriturismo Bartoli. Eine wunderschöne Anlage, die Zimmer bzw. Wohnungen verteilt auf mehrer kleine Häuser. Und die Aussicht auf die umliegenden Täler und umbrischen Hügel fast „atemberaubend“. Trotzdem muss ich einen Minuspunkt verteilen: Wenn du als Pilger nach 700 Höhenmeter bei eisigem Wind durchgeschwitzt oben ankommst, erwartest du eine warme Stube. Denkste, die Camera war eiskalt und ich habe nach dem Duschen fast alles angezogen was ich dabei habe. Es ist zwar am Nachmittag wieder sonnig geworden, man kann sich bei dem kalten Wind aber draußen nicht aufhalten. Offensichtlich sind die Besitzer noch nie zu Fuß hier rauf gewandert und schon gar nicht mit schwerem Rucksack. Es gibt hier auch kein mobiles Netz, deshalb kann ich meinen heutigen Tagesbericht erst morgen ins Internet geben. Die morgige Etappe bringt mich nach Ferentillo, weitere 17 km in Richtung Rom.
Nachtrag um 17,3o Uhr:
Ich nehme alles zurück, die Heizung ist soeben angesprungen. Ich sitze inzwischen mit Erik im Aufenthaltsraum am offenen Kaminfeuer. Es ist sehr heimelig hier. Man richtet bereits die Tafel für’s Abendessen. Wir werden wieder mal gemeinsam allen anderen Gästen essen. Der Agriturismo ist ein Familienbetrieb und alle sind sehr freundlich.
Ich bin meinen Bericht trotzdem los geworden, denn ich konnte das W-LAN der Bartoli's nutzen.
22.10.2011: Patrico - Ferentillo, 18 km
Das gestrige Abendessen war wieder mal war typisch. Wir saßen zusammen mit der Familie und anderen Gästen an einer langen Tafel. Es gab keine Speisekarte und es wurde auch nicht angekündigt, was es zu essen gibt. Es wurde einfach aufgetragen. Antipasto misto, Spaghetti Pomodoro (mit Nachschlag) und Lammfleisch vom Grill und Insalata mista. Danach saßen wir zusammen mit einem weiteren Niederländischen Ehepaar am offenen Kamin. Ich wurde als „moderner Pellegrino“ belächelt, wie ich so mit dem Notebook vor dem Kamin saß und meinen Bericht über’s W-LAN des Agriturismo in Internet stellte.
Der Wetterbericht für heute hatte sich geirrt: Der angekündigte Regen blieb aus! Es war zwar am Morgen sehr frisch, aber gegen Mittag kam immer mehr bayerischer Himmel (weiß-blau) auf, und es wurde noch ein angenehmer Spätsommertag. Die Etappe war wirklich „eine der atemberaubendsten Strecken“, so beschreiben es Simone und Anton Ochsenkühn. Zwar ging es teilweise durch pure Prärie, wo oft gar keine Pfade zu erkennen waren. Aber es tat sich ein tolles Motiv nach dem anderen auf und am Ende hatte ich 80 Foto‘s im Kasten. Ich durchwanderte eine herrliche Bergwelt zwischen 400 und 1300 m mit ständig wechselnden Ansichten. In Ferentillo war ich dann wieder herunten auf 250 m und ich darf gar nicht daran denken, dass es morgen die gleiche Anzahl an Höhenmeter wieder hinauf geht nach Don Bosco, meinem nächsten Tagesziel. Franziskus hätte sich wirklich vor 800 Jahren etwas leichtere Wege nach Rom aussuchen können. Heute sind wir in einem schlichten Bed & Breakfast untergebracht, wo uns Erik heute früh schon angemeldet hatte.
23.10.2011: Ferentillo – Don Bosco (Polino), 17 km
Heute hatte ich einen schlechten Start. Vom Frühstückstisch weg (heute um 8,30 Uhr) gingen bereits die ersten Schritte steil bergauf. Ich kam nicht in Schwung, mein Kreislauf war auf dem Hund. Und dann spielt sich im Kopf folgendes ab: „Der Rucksack ist mindestens 5 kg zu schwer, der Hüftgurt zu eng, der Brustgurt zu eng, ich krieg keine Luft, wie soll ich in dieser Verfassung 900 Höhenmeter schaffen!“ Mit dieser Einstellung schleppte ich mich bis 10,30 Uhr ca. 500 Höhenmeter hoch. Dann wurde es flacher, ich telefonierte mal mit Gertrud, danach kam ich wieder ins (seelische) Gleichgewicht. Um 14,15 Uhr war ich endlich am Ziel. Apropo Hund: Seit gestern Mittag begleitet uns wieder ein Hund. Ein prächtiger, aber offensichtlich herrenloser Schäferhund. Ich habe ihn „Tillo“ getauft, weil er uns in Ferentillo zugelaufen ist. Er weicht uns nicht von der Seite. Zuerst war er bei Erik, der läuft in der Regel vor mir, weil er schneller ist. Plötzlich war er wieder neben mir. Erik glaubte, wir hätten ihn los, weil er mit 2 Radfahrern den Weg zunächst wieder ein Stück zurück lief. Bei mir machte dann wieder kehrt. Er lässt sich nicht abschütteln. Etwa 1 Stünde nach meiner Ankunft habe ich ihn noch vor dem Hotel gesehen. Im Moment ist er weg. Ich denke, morgen früh haben wir ihn wieder im Schlepp. Gestern Abend war’s genauso.
Heute haben wir schöne Hotelzimmer, aber leider wieder nicht beheizt. Das geht mir langsam auf den Geist. Wenn du eine halbe Stunde auf der Bude sitzt, hast du kalte Füße. Dann machst du ein Fußbad – im Sitzwaschbecken natürlich - legst dich ins Bett (damit du nicht wieder kalt wirst) und wartest auf’s Abendessen. Heute wechselten Sonne und Wolken ab, es blieb trocken, aber kalt. Das sind keine italienischen Temperaturen mehr. Es wird Zeit, dass die Tour zu Ende geht.
24.10.2011: Don Bosco - Poggio Bustone, 23 km
10 Tage war’n es heute noch,
auf Rom darf ich mich freu’n,
einen lief ich heute weg,
jetzt sind es nur noch neun!
(Keine Angst, ich bleibe schon noch auf dem Teppich!)
Heute lief - im Gegensatz zu gestern – alles wieder wie geschmiert. Zwei mal rauf und zwei mal runter, am Ende waren wieder über 700 Höhenmeter bewältigt. Tillo, der Hund war heute früh weg. Steffi und Paul wird es interessieren: Es lief fast nach nach dem gleichen Muster ab wie mit „Rimbo“. Der Hotelbesitzer in Don Bosco fragte uns, seit wann er mit uns läuft. Erik meinte, es wäre in der Nähe des Agriturismo La Pila in Ferentillo gewesen. Darauf entgegnete der Wirt, er werde dort mal anrufen. Bei Abendessen sagte er uns, der Hund wäre eben von den Leuten von La Pila abgeholt worden. Ist doch schon sonderbar! So weit so gut, ab sofort also wieder kein Hund mehr.
Wir sitzen im Hostel „Francescana“ in Poggio Bustone. Und frieren wieder mal. Ich mag heute kein Wort mehr darüber verlieren. Must dich als Pilger halt damit abfinden. Gestern Abend in Don Bosco hab ich den Wirt mittels Google-Übersetzer gebeten, die Heizung im Zimmer einzuschalten, damit meine Wäsche trocknen kann. Er bedauerte zunächst und meine lapidar: “No“. Kurz darauf sah ich aber, wie er sich an einem Schaltschrank zu schaffen machte und ein paar Hebelchen umlegte. Nach dem Abenessen war die Bude warm. Zumindest konnte die Wäsche noch trocknen. Zum Schlafen brauchen wir aber keine Heizung.
Ich werde die 9 Tage noch überstehen.
25.10.2011: Poggio Bustone – Rieti, 18 km
Wieder eine Nacht vorbei,
hab ich heut früh gedacht.
In Rieti angekommen,
war’n es nur noch acht!
In Rieti bin ich in ein Hotel eingezogen, wo das Wohnen mal wieder richtig Spaß macht nach den Enttäuschungen der letzten Tage. Warmes Zimmer, anständiges Bad, direkt im Centro und vor der Tür das mehrfach zitierte italienische Leben. Heute ist die Welt wieder in Ordnung. Rieti wird als geographischer Mittelpunkt Italiens bezeichnet. In der Umgebung einige Franziskanerklöster, also die Gegend ist geprägt durch den Hl. Franziskus. Allerdings habe ich heute das Kloster La Foresta ausgeklammert und bin direkt nach Rieti reingelaufen. Klöster liegen bekanntlich meist auf einem Berg und ich wollte mir den zusätzlichen Auf- bzw. Abstieg ersparen. Habe in den letzten 2 Wochen genug Klöster gesehen und in den nächsten Tagen liegen auch noch einige vor mir. Eigens wegen der Klöster Fonte Colombo und La Speco macht der Franziskusweg morgen und übermorgen einen Schwenk nach Norden. Ich entferne mich also in den kommenden 2 Tagen von Rom, bevor es wieder zurück nach Süden geht. Das muss ich aushalten. Wer „nur“ den Franziskusweg geht (500 km und ca. 28-30 Tage), für den ist es Pflicht, alle Klöster zu besuchen. Wer aber von Wachenroth nach Rom geht (ca. 1200 km und 74 Tage), der sieht sein Ziel nicht im Franziskusweg, sondern hat nur noch Rom vor Augen, besonders jetzt, wo man jeden Tag zählt. Ich muss schon gestehen, dass ich mein Ziel von Tag zu Tag mehr herbei sehne, denn die Zeit wird mir jetzt lang. Ich will euch das hier nicht vorenthalten, damit ihr seht was in mir vorgeht. Und es wird von Tag zu Tag schlimmer, je näher ich Rom komme.
Heute war es wesentlich wärmer, fast ein wenig schwül und für heute Nacht und morgen ist Regen angesagt. Da wird’s mich morgen doch noch erwischen. Morgen stehen 22 km nach Greccio auf dem Programm. Ich könnte mir das Kloster Fonte Colombo sparen, dann hätte ich wieder einige Höhenmeter und ca. 2 km weniger zu laufen. Wir werden sehen.
26.10.2011: Rieti – Greccio, 22 km
Nach Greccio mußt‘ ich heute geh’n.
So stand‘s im Buch geschrieben.
Jetzt bin ich da, ihr könnt‘ es sehn,
nun sind es nur noch Sieben!
Ich habe den Regen heute angenommen. Es regnete seit 7,00 Uhr. Um 8,45 Uhr machte ich mich auf den Weg. Der Regen konnte meine gute Stimmung nicht negativ beeinflussen. Selbst die 150 m Höhe zum Kloster Fonte Colombo nahm ich in Kauf. Die Alternative wäre Landstraße gewesen, und das wollte ich den Autofahrern bei der schlechten Sicht nicht antun, auch im eigenen Interesse natürlich. Mit dem genannten Kloster hat man wieder Grotten und Höhlen überbaut, in denen Francesco einst sein Dasein fristete. War schon beeindruckend. Er soll der Überlieferung nach dort auch die Ordensregeln für sich und seine Minderbrüder verfasst haben. Den Ausführungen der Ochsenkühn’s ist weiter zu entnehmen, dass Francesco sich in seinen letzten Lebensjahren oft dort aufgehalten hatte. Auch sein Augenleiden soll hier behandelt worden sein und zwar durch Verbrennung einer Gesichtshälfte mit einem glühenden Eisen zwischen Auge und Ohr. Das waren Methoden! Ich denke mal, der Effekt liegt darin, dass du ein halbes Jahr lang dein Augenleiden vergisst, wenn du im Gesicht mit einem glühenden Eisen „behandelt“ worden bist.
Um 15,15 Uhr kam ich ziemlich erschöpft oben in Greccio an. Äußerlich weitgehends trocken dank meiner guten Regenausrüstung. Von Innen jedoch nässer denn je, denn unter den Regenklamotten schwitzt man halt auch mehr. Zumal es die letzten 2-3 km nochmal stramm nach oben ging. In der Summe hatte ich halt wieder 660 Höhenmeter erklimmen müssen. Im Hotel „Belvedere“ war die Camera zwar kalt als ich ankam, aber die Heizung war immerhin schon eingeschaltet. Ist ein recht kleiner Heizkörper, der zum durchwärmen der Bude nicht ausreicht, aber man kann immerhin die nassen Klamotten und die Wäsche trocknen. Es ist auch ein Ristorante angegliedert und wir müssen heute das Haus zum Abendessen nicht mehr verlassen.
Das morgige Etappenziel heißt Stroncone. Das wird mal wieder eine gemütlichere Tour, denn es sind nur 15 km bei „nur“ 350 Höhenmeter. Die stehen zwar unmittelbar nachdem Start an, das ist mir aber lieber wie gegen Ende der Tour, denn früh ist die Kondition noch besser. Natürlich ist morgen eine Besichtigung des Klosters Santuario di Greccio Pflicht. Laut den Ochsenkühn’s muss man allein für die Krippenausstellung eine Stunde einplanen.
27.10.2011: Greccio – Stroncone, 15 km
Heut‘ Abend trink ich ein's auf Ex,
denn es verbleiben nur noch sechs!
Nach der Verabschiedung von den sehr netten Besitzern des kleinen Hotels Belvedere hatten wir nach ca. 2 Kilometer das Kloster Greccio erreicht. Eine sehr schöne Anlage mit einer umfangreichen und sehenswerten Krippensammlung aller Stilrichtungen. Wir hielten uns fast eine Stunde in diesem Kloster auf. Gleich danach ging es die angekündigten 350 Höhenmeter steil nach oben. Das Wetter hatte sich wieder gebessert, kein Regen mehr und wir liefen im Kurzarm-Outfit. Allerdings hielt sich in den Tälern hartnäckig der Nebel und versperrte uns so manche schöne Aussicht. Gegen Mittag zog der Himmel wieder etwas zu, bevor wir gegen 14,00 Uhr Stroncone erreichten. Wieder ein nettes, kleines und freundliches Hotel mit integriertem Ristorante. Man hat uns bereits bei der Ankunft darauf hingewiesen, dass es am Abend Fisch gibt. Hatten wir bisher noch nie.
Morgen steht die lt. Ochsenkühns „schwerste Tagesetappe des gesamten Franziskusweges“ an. 905 m rauf und 850 m runter. Was soll ich dazu noch sagen. Dolomitenähnliche Verhältnisse, da muss ich sofort an Ute aus dem Schwarzwald denken. Herzliche Grüße, Ute. Bald hab ich es geschafft! Der Tag darauf wird wieder etwas leichter, bevor wieder einen Tag später nochmal 750 m kommen, wenn’s über die Sabiner Berge geht. Das ist dort, wo vor langer, langer Zeit mal die Sabinerinnen geraubt worden sind. Alles klar?
Georg Paszek hat mir heute früh ein Zimmer in Rom organisiert. Herzlichen Dank Georg. Ich wohne 5 Tage im Kloster bei den Pallottinerinnen unweit des Petersplatzes! Nun kann fast nichts mehr schief gehen!
28.10.2011: Stroncone – Calvi dell‘ Umbria, 22 km
Tagebuch hab ich geschrieben,
neunundsechzig Tage lang.
Bis heute sind noch fünf geblieben.
Davor ist mir nicht mehr bang
Die heutige Etappe war tatsächlich einer der schwersten des ganzen Franziskusweges. Die 905 Höhenmeter waren nicht an einem Stück zu überwinden. Es ging über 3 Täler hinweg, also ein ständiges Auf und Ab. Der steile Aufstieg zum Kloster Lo Speco lohnte sich auf jeden Fall. Hier lebte und betete Francesco einst in einer Felsenspalte, die noch im Original erhalten ist, und zur Gebetsstätte ausgebaut wurde.
Vom Start weg begleiteten uns dichte Nebelschwaden, die wir beim Kloster auf ca. 600 m hinter bzw. unter uns ließen. Oben drüber, genau wie gestern, strahlender Sonnenschein. Ab Mittag hatten wir dann Temperaturen um
20 – 23 Grad. Nach dem Kloster war noch einmal ein sehr steiler Anstieg von ca. 300 m zu überwinden. In dieser Phase hatte ich das Gefühl, mein Akku wird langsam leer. Heute Abend wird das gelbe Warnlicht aufleuchten, habe ich zu diesem Zeitpunkt gedacht. Nachdem ich den höchsten Punkt erreicht hatte, stand ich auf einem wunderschönen Hochplateau. Es ging erst eine Zeit lang eben dahin, bevor der Schotterweg in eine leicht abfallende Asphaltstraße mündete. Die Sonne im Gesicht, die Gedanken beim Einmarsch in Rom und schon war mein leerer Akku vergessen. Im Geiste formulierte ich bereits den Text des letzten Tages und stellte mir vor, wie ich auf die Basilika San Giovanni im Lateran zu laufe, die bekanntlich das Ziel von Franziskus gewesen ist, weil zu dieser Zeit dort der Sitz der Päpste war. So träumte ich eine Stunde vor mich hin und kurz nach 16 Uhr war ich in Calvi dell‘ Umbria. Die von außen unscheinbare Locanda del Francescano entpuppte sich als eine ganz besondere Herberge. Das ganze Haus war mit französischen Flair umgeben, von der Rezeption bis zu den Zimmern. Des Rätsels Lösung: Die Ehefrau des Hotelbesitzers ist Französin. Da sich Eric mit ihr sehr gut auf französisch unterhalten konnte, erfuhren wir von ihr, sie kocht zwar italienisch, aber mit französischem Akzent. Endergebnis: Das beste Abendessen, der beste Wein und die teuerste Rechnung während meiner gesamten Reise! Es war ein Erlebnis!
29.10.2011: Calvi dell‘ Umbria – Selci, 22 km
An einer Hand kann ich es zählen,
Liebe Leute glaubt es mir.
Ich muss mich nicht mehr lange quälen,
heute sind es nur noch vier!
Ein idealer Pilgertag heute! Sonnig schon um 9,00 Uhr, kaum mehr Nebel über den Tälern und herrliche Aussichten. Auch ja, wenn nur das Laufen nicht wäre. Aber die Strecke war heute nicht so schwierig, von 9,30 Uhr bis 15,00 Uhr hatten wir - jeder für sich – die 22 km absolviert. Hotel ist auch ok., also ein Tag nicht wie jeder andere, sondern wie viele andere zuvor auch. Ich bin mit meinen Gedanken oft gar nicht mehr auf der Strecke, sondern in Rom! Ich kann nichts dagegen tun, es ist einfach da. Nachdem gestern keine Zeit zum Wäsche waschen war, hatte ich heute großen Waschtag. 3 Paar Socken, 2 Unterhosen, 2 Unterhemden und 2 T-Shirt’s . Wurde auf dem sonnigen Balkon fast noch trocken, der Rest trocknet über Nacht in der Camera. Ihr seht, ein Pilger hat keine Langeweile. Während ich schreibe, bereite ich mich seelisch und moralisch auf’s Abendessen vor. Werde mit Nudeln meinen Energiespeicher wieder auffüllen. Der morgige Tag bringt uns 24 km weiter nach Fara in Sabina. Rom ist zum Greifen nahe!
30.10.2011: Selci – Farfa, 20 km
Lange Zeit und viele Wege,
bald ist es vorbei.
Nach Farfa ich mich heut‘ bewege,
von da sind‘s nur noch drei!
Wieder ein routinemäßiger Pilgertag, ohne besondere Vorkommnisse. Olivenhaine ohne Ende, die Ernte ist in vollem Gang, auch am Sonntag. Eric wieder vor mir, ich gedankenversunken hinterher. Wir trafen uns erst wieder an der Benediktinerabtei in Farfa, wo wir auch übernachten und Abendessen bekommen. Hier herrscht reger Verkehr, vermutlich weil Sonntag ist. Es sind auch viele Übernachtungsgäste hier. Wir wollten eigentlich noch 3 km weiter bis Fara in Sabina ins Kloster der Clarissen. Hotels gibt’s in dieser abgeschiedenen Gegend keine. Aber dort ging den ganzen Tag niemand ans Telefon. Deshalb sind wir sicherheitshalber in Farfa geblieben. In Eric’s Reiseführer steht nämlich, dass bei den Clarissen nur Frauen übernachten dürfen. Kann ich zwar nicht glauben, aber sicher ist sicher. Meine Verfassung ist gut, ich werde immer ruhiger, je näher ich Rom komme. Ich spüre ein Gefühl der Erleichterung, dass ich in wenigen Tagen am Ziel bin. Die 20 km sind mir heute relativ leicht gefallen, denn es waren kaum Steigungen zu bewältigen.
31.10.2011: Farfa – Montelibretto, 17 km
Olivenhaine vielerlei,
säumten meine Pfade.
Ab heute sind es nur noch zwei,
wie ist es doch so schade!
Unsere Unterkunft im Kloster in Farfa war sehr lobenswert. Schöne saubere Zimmer und gutes Abendessen. Frühstück eher dürftig. Aber das ist ja nichts Neues. Überhaupt fällt auf, dass es in den Klöstern immer sehr sauber zugeht. Die heutige Etappe führte einmal mehr fast überwiegend durch Olivenhaine. Die Ernte ist mittlerweile in vollem Gang. Unser Weg führte auch an einer modernen Ölmühle vorbei. “Gemahlen“ wird da aber nichts mehr. Es ist ein "Durchlaufverfahren". Vorne werden die Oliven reingeschüttet , hinten läuft das Olivenöl heraus. Das ist ein geschlossenes Verfahren. Soll den Vorteil haben, dass während des gesamten Vorganges die gepresste Masse keiner Luft und keinem Licht ausgesetzt ist. Und ist wahrscheinlich auch wirtschaftlicher.
Montelibretti liegt auf einem Hügel, was bedeutet, dass wieder ein Endspurt hinzulegen war. Unser Quartier, ein Bed & Breakfast ist neu eingerichtet und sehr sauber. Der Sohn der Besitzerin spricht ganz gut deutsch. Aber jetzt kommt’s: Er importiert Bier aus Deutschland und zwar unter anderem auch aus der Brauerei „Blauer Löwe“ aus Höchstadt. Er findet, das ist das beste Bier, das er jemals getrunken hat. Ich habe ihm gesagt, dass in unserer Gegend viele kleine Brauereien gibt, die mindestens ein gleich gutes Bier brauen können. Er ist sehr interessiert und ich muss ihm bei Gelegenheit eine Auflistung dieser kleinen Brauereien mailen.
Um 17,30 Uhr klingelte es an der Türe. Seine Geschäftspartnerin, eine gebürtige Berlinerin, die ebenfalls in Montelibretti wohnt, fragte, ob wir denn Interesse hätten an der Besichtigung einer Ölmühle mit Verkostung des frisch gepressten Öles. Und ob wir das hatten. 5 Minuten später saßen wir im Auto der flotten Berlinerin und waren nach ca. 3 Kilometer in der Mühle. Dort herrschte Hochbetrieb und wir waren mitten drinn. Das frische Öl, direkt aus dem Auslaufhahn aufgefangen, hat noch einen sehr herben Geschmack mit sehr viel Bitterstoffen, schmeckt aber sehr fruchtig. Wer kein Olivenölliebhaber ist, sollte es aber besser nicht versuchen. Erst ca. 4 Wochen nach dem Pressvorgang, ist das Öl „genussreif.“ Wenn Hochsaison ist arbeitet man dort rund um die Uhr. Mitte November fährt die Frau nach Deutschland, um Öl auszuliefern. Da sie auch nach Höchstadt fährt (um Bier mit zurückzunehmen), könnte sie auch Öl nach Wachenroth mitbringen. Falls jemand Interesse hat, bitte im Gästebuch mitteilen.
So, vor lauter Olivenöl vergesse ich fast meinen ursprünglichen „Auftrag“. In zwei Tagen bin ich in Rom! Morgen Abend, nach weiteren 17 km bin ich in Monterodondo. Dann kommt der Zieleinlauf.
01.11.2011: Montelibretti - Monterodondo, 17 km
Das Ziel vor Augen, lauf ich morgen
den letzten Tag dahin,
völlig frei von Pilgersorgen!
Wie wohl ist mir’s im Sinn!
Der vorletzte Tag liegt hinter mir. Bereits um 13,00 Uhr war ich zusammen mit Erik im Hotel „Dei Leoni“ in Monterodondo, da wir kurz nach 8,30 uhr schon auf den Beinen waren. Es war keine anspruchsvolle Strecke, ca. 80 % kleine Asphaltstraßen mit wenig Verkehr. Lediglich kurz von Monterodondo hatten wir ein wenig mit Autos zu kämpfen. Aber nicht so, dass man es unbedingt vermeiden müsste, die letzten 30 Kilometer nach Rom hinein zu laufen, wie es die Ochsenkühns in ihrer Wegbeschreibung andeuten. Wieder habe ich heute gemerkt, dass mich die umliegende Gegend gar nicht mehr so interessiert, weil ich mit meinen Gedanken fast ausschließlich beim letzten Tag bzw. beim Einmarsch in Rom bin. Ich werde morgen sehr früh starten, da ich mir Zeit lassen will, um die letzten Kilometer auch noch genießen zu können. Bis zum eigentlichen Endpunkt, der Lateranbasilika sind es 24 km. Dort ist erst mal ein längerer Zwischenstopp angesagt. Dann will ich aber zu Fuß weiter bis zum Petersplatz, das sind noch mal 4,5 km. Das muss sein und wenn ich auf dem Zahnfleisch gehe. Denn Rom und der Petersplatz gehören für mich irgendwie zusammen. Erst dann werde ich die letzten 500 Meter zum Kloster der Pallottinerinnen gehen. Allerheiligen ist auch in Italien Feiertag, was aber viele Italiener nicht davon abhält, die begonnene Olivenernte fortzusetzen. Es war wieder um 20 Grad warm und es soll die nächsten Tage auch noch so bleiben!
Also, freut euch mit mir auf den letzten Tag. Buon Camino!
Für alle, die Interesse an Olivenöl haben: Der Liter wird nicht unter 10 Euro kosten und es ist noch kein Öl aus der Ernte 2011! Das wird erst ab Januar 2012 angeboten und verkauft: Wir bekommen also Ware von 2010, was aber völlig ok ist, denn das Öl behält seine Qualität mindestens 3 Jahre!
Einmal mehr herzlichen Dank allen Gästebuchschreibern der letzten Tage. Ich fühle mich von Euch wie auf einer Welle nach Rom hineingetragen!
02.11.2011: Monterodondo – Basilika San Giovanni im Lateran in Rom, 27 km – bis Petersplatz bzw. Kloster der Pallottinierinnen: 39 km
Ich bin angekommen!
Müde, aber gesund
und ohne ernsthafte Zwischenfälle oder Komplikationen.
Der Herr war mit mir auf dem Weg.
Ich habe es gespürt und erfahren.
Darum lasst mich mit dem Hl. Franziskus einstimmen in die letzte Strophe des von ihm verfassten Sonnengesanges:
"Lobt und preist meinen Herrn
Und sagt ihm Dank
Und dient ihm mit großer Demut."
Dem habe ich heute nichts weiter hinzu zu fügen.
02.11.2011 – Ergänzung des letzten (74.) Tages
Der letzte, alles entscheidende Tag hat mir noch einmal alles abverlangt. Ich hatte die Nacht über schon mal sehr schlecht geschlafen. Nicht vor Aufregung, sondern weil sich just für den letzten Tag ein kräftiger Schnupfen eingestellt hatte. Die kalten Zimmer der vergangenen 14 Tage sind nicht ohne Folgen geblieben. Bereits um 7,40 Uhr gingen wir los. Schließlich waren für mich ca. 28 Kilometer zurückzulegen, da ich ja von der Lateranbasilika noch bis zum Petersplatz laufen wollte. Die ersten 12 – 13 km waren problemlos. Kleine Straßen mit wenig Autos, Schotter und Asphalt abwechselnd, ließen mich fragen, weshalb die Ochsenkühn‘s die letzten Kilometer bis Rom als „nicht empfehlenswert“ eingestuft hatten. Bei Kilometer 13 erreichten wir die Außenbezirke oder auch Vororte Roms und von Kilometer zu Kilometer wurden die Straßen breiter und der Verkehr mehr und mehr. Es gab zwar schöne breite Gehwege, aber mit der Ruhe war es vorbei. Wir erreichten die bekannte alte Römerstraße „Via Nomentana“ die uns auf geradem Weg bis auf Höhe des Bahnhofes Termini brachte. Nun hatte uns Rom endgültig verschlungen! Ab hier ging‘s noch 1,5 km in südliche Richtung und um 14,00 Uhr standen wir vor der Lateranbasilika. Wir gratulierten uns zum erfolgreichen Abschluss des Franziskusweges und machten die obligatorischen Fotos. Der Weg des Hl. Franziskus endete deswegen hier, weil zu seiner Zeit der Sitz des Papstes im Lateran gewesen ist. Mehr schreibe ich hierzu nicht, wer mehr wissen will, der googelt mal nach „Lateranbasilika“. Erik machte eine ausgiebig Besichtigung der Basilika, was mir aber zu lange dauerte. Ich drängelte, denn ich wollte ja noch zum Petersplatz laufen, ca. 4,5 km Luftlinie von hier in Richtung Südwesten. Wir verabschiedeten uns mit einem Gläschen Prosecco in der „Bar um die Ecke.“ Dann trennten sich unsere Wege. Erik fliegt am Donnerstag in die Niederlande und will eine Woche später zurück nach Singapur.
So, ich also weiter in Richtung Petersplatz, vorbei am Colosseum, über die Isola Tiberina und durch den Stadtteil Trastevere. Natürlich musste ich mehrere Haken schlagen und der Blick auf mein GPS sagte mir, dass ich am Ende wohl weit über 30 km laufen werde. In Trastevere hab ich mich auch noch verlaufen, denn plötzlich stand ich in einer Straße, die auf einer Anhöhe vor einem verschlossenen Tor endete. Also, wieder zurück und den Petersplatz erneut angepeilt. Punkt 16,30 Uhr war es soweit, ich stand auf dem Petersplatz. Ich wartete was nun kommen würde. Ein kleiner Schauer fuhr mir über den Rücken, sonst nichts! Ich stand da und konnte nicht realisieren, dass ich zu Fuß hier her gekommen war. Ich stellte meinen Rucksack an einen Stein, lies mich zu Boden sinken und schloss die Augen. Inntal, Alpen, Dolomitenweg, Poebene, Franziskusweg, Assisi, 1250 km, alles zog noch einmal an mir vorüber. Ich war in Rom! Ohne Aufzustehen bat ich einen asiatischen Rom-Besucher, natürlich nur in Zeichensprache, ein Foto von mir und meinem Zustand zu machen. Nach ca. 15 Minuten des Innehaltens, erhob ich mich und machte mich auf das letzte Stück Weg zu den Pallottinerinnen. Hier fand ich nicht auf Anhieb die richtige Spur, was mir noch einmal 2 Kilometer Umweg bescherte. Um 17,30 Uhr, es war schon fast dunkel, fand ich Einlass im Kloster der Pallottinerinnen. Der Tag un meine Pilgerreise nahm sein Ende. Hatte ich am Vortag noch leichtsinnigerweise das Wort „Zahnfleisch“ erwähnt, fast wäre es soweit gewesen. Allerdings stellte ich auch fest, dass ich meine Füße nicht mehr spürte. Ich hätte an diesem Tag auch 50 km laufen können, obwohl mir die Tage zuvor 17 bis 18 km schon genug waren. Es bestätigt sich mal wieder: Alles nur eine Kopfsache.
Am Donnerstag früh - ich wollte eigentlich keinen Schritt vor die Türe machen und nur die Füße hochlegen – stand ich um 9,00 Uhr bei strahlendem Sonnenschein wieder auf dem Petersplatz, wie magisch angezogen. Mindestens 10 mal musste ich mir einreden, dass ich zu Fuß hier bin. Es will nicht in meinen Kopf. Ich ging ein paar Sachen einkaufen, vor allem Arznei gegen meinen Schnupfen, denn meine diesbezüglichen Medizinvorräte waren aufgebraucht. Anschließend ließ ich mich in der Via Della Conziliatione mit Blick auf den Petersplatz nieder und beobachtete das bunte Treiben und das Gewusel der Rom-Touristen. Unglaublich für deutsche Verhältnisse ist das reibungslose funktionieren des römischen Straßenverkehrs. Man steht geduldig in endlosen Staus vor roten Ampeln. Autos, Busse und Motorroller machen einander jeden Zentimeter streitig. Man quetscht sich einen Meter vor dem anderen in die Lücke und kein Mensch regt sich darüber auf. Da könnten wir Deutschen noch viel lernen.
Da meine Füße die gestrigen 38 km erstaunlich gut überstanden haben, werde ich nun einen Trip in die Innenstadt machen, falls morgen das Wetter schlechter wird. Wos mer hat, des hat mer, sagt der Franke.
04.11.2011 – 2. freier Tag in Rom
Mit dem Ausflug in die Stadt wurde es gestern nicht’s mehr. Nachdem ich mein Tagebuch geschrieben hatte, war es 14,00 Uhr. Das war mir zu spät. Ich begab mich nochmal auf den Petersplatz und ließ die vergangenen Wochen noch einmal im Geiste vor mir ablaufen. Ich gebe zu: Ich war ein klein wenig stolz auf mich! Aber es stellte sich auch ein Gefühl der Ernüchterung ein. Auf dem gesamten Weg hast du Respekt und Bewunderung geerntet, wenn zur Sprache kam, dass du zu Fuß auf dem Weg nach Rom bist. Unter den vielen Tausend Menschen, die täglich den Petersplatz besuchen, bist du ein kleines Licht und läufst im Haufen mit. Daran muss man sich erst wieder gewöhnen.
Danach marschierte lediglich noch in die Via del Banco di S. Spirito, etwa eine Viertelstunde vom Petersplatz, um den ganz gemeinen Pilgerstempel für meinen Pilgerausweis zu bekommen. Ist nicht lebensnotwendig, gehört aber dazu. Am Abend traf ich mich mit Johannes, einem jungen Pilgerkollegen, den ich aber seit Gubbio nicht mehr gesehen hatte. Es stellte sich heraus, dass er die ganze Zeit einen Tag vor mir lief. Wir hatten den Kontakt per SMS wieder hergestellt. Wir vereinbarten, uns heute früh um 9,00 Uhr wieder auf dem Petersplatz zu treffen. Von Schwester Brunhilde hatte ich erfahren, dass das Sakristeibüro des Petersdoms eine Pilgerurkunde ausstellt und dass man dorthin am besten über die Schweizer Garde gelangt. Das war vielleicht interessant:
Die Schweizer Garde, das heißt der Wachposten, ist präsent auf der linken Seite des Petersdomes. Für jeden Besucher sichtbar und ein beliebtes Fotoobjekt. Dort stehen 2 Gardisten. Einer steht still, der andere ist ansprechbar. Also, bei den beiden war zunächst kein Durchkommen. Wir wurden zurückgeschickt, raus aus dem Petersplatz durch die Säulen auf der linken Seite durch, um anschließend durch die Polizeikontrolle zu gehen, wo du durch den Scanner laufen musst. Dann kommt man an einen weiteren Posten der Schweizer Garde. Das ist der Eingang, an dem die Bediensteten des Vatikans Zugang haben. Durch einen großen Innenhof gelangt man nach ca. 50 Meter an den nächsten Polizeiposten. Dort musst du als Pellegrino wieder deinen Wunsch nach einer Pilgerurkunde äußern. Der schickt dich um die Ecke in ein Büro. Dort sitzen zwei ältere Herren in feinem Zwirn und mit düsterer Amtsmine. Hier musst du nun deinen Personalausweis abgeben, und bekommst einen Besucherausweis. Dann wirst du weitergeleitet ins Vorzimmer des Sakristeibüros. Nachdem du dein Anliegen zum vierten Mal geäußert hast, wirst du in ein Hinterzimmer geführt, bekommst ein Formular und darfst die Daten deiner Pilgerreise eintragen. Beginn der Reise, Ankunft in Rom, Alter, Adresse und aus welcher Motivation heraus du die Reise gemacht hast. Nach weiteren 20 Minuten hast du endlich deine Pilgerurkunde! Dann läufst du zurück, tauscht deinen Besucherausweis wieder gegen deinen Personalausweis ein und bist wieder frei. Allerdings ist dein Perso gescannt worden und du bist ab sofort im Vatikan registriert. Eine gute Seite hat die Sache: Du wirst als Pellegrino auf Wunsch kostenlos durch die Katakomben vorbei an den Papstgräbern geführt. Das Petrusgrab, das nochmal eine Etage tiefer liegt, gab’s nicht gratis. Ich hab es am Nachmittag um 14,00 Uhr im Rahmen einer deutschsprachigen Führung, zu der ich mich früh gleich anmeldete, doch noch sehen können. Und war tief beeindruckt. Dort sind Ausgrabungen freigelegt, die wirklich über 2000 Jahre alt und im Original erhalten sind.
Diese Führung dauerte 1,5 Stunden. Es war also 15,30 Uhr. Der Vespergottesdienst begann um 16,30 Uhr. Man sollte aber eine halbe Stunde früher da sein. Als ich die Warteschlange sah, die sich bereits um 15,30 Uhr gebildet hatte, blieb ich gleich da und reihte mich ein. Die Wartenden stauten sich um die gesamte äußere Rundung des Petersplatzes. Wer keine Karte hatte wie ich wurde abgewiesen. Es fiel auf, dass fast die Hälfte Ordensleute, sowohl männlich als weiblich, unter den Wartenden waren. Ab 16,00 Uhr kam Bewegung in die Menge. Alle mussten wieder – wie am Flughafen – durch den Scanner laufen. Papst Benedikt ist die best bewachteste Persönlichkeit auf der ganzen Welt! Der Vatikan hat übrigens ca. 4000 Bedienstete! Die Vesper begann mit einer Viertelstunde Verspätung. Was für eine Zeremonie! Von Andacht keine Spur. Fotografieren ist nicht verboten und man sieht nur hocherhobene Hände. Nicht zum Frohlocken, sondern zum Fotografieren! Nach einer guten Stunde wurde Papst Benedikt hereingefahren. Alles drehte sich nach hinten und das Blitzlichtgewitter begann von neuem. Der Petersdom war übrigens bis auf den letzten Platz gefüllt! Benedikt griff aktiv in das Geschehen ein, indem er eine längere Lesung hielt. Die ganze Zeremonie dauerte letztendlich fast 2,5 Stunden. Mit dem Segen des Papstes wurden die ca. 15.000 Menschen am Ende der Vesper entlassen. Mich hat der Rummel ein wenig gestört, ich hatte mit mehr Ehrfurcht und Andacht gerechnet.
Direkt von der Vesper weg begab ich mich zum Abendessen und landete bereits um 20,30 Uhr wieder in der Unterkunft der Pallottinerinnen.
05.11.2011 – 3. Tag in Rom
Vorweg: Auf ganz besonderen Wunsch von Gertraud schreibe ich weiter. Ich hab mich aber selber schon so daran gewöhnt, dass mir fast etwas fehlt, wenn ich nicht schreibe.
Mit der gestrigen Vesper im Petersdom habe ich mein offizielles „Pflichtprogramm“ beendet. Heute hat die „Kür“ begonnen. Um 9,00 Uhr hab ich mich nochmal mit Geld versorgt. Hoffentlich zum letzten mal auf dieser Reise! Geldautomaten gibt es zuhauf. Dann ging’s zu Fuß in die Innenstadt. Als erstes habe ich die von Paul empfohlene Bar in der via banchi vecchi gesucht. War kein Problem, lag fast am Weg. Macht von außen keinen besonderen Eindruck. Da gehst du nicht rein, wenn du keinen Tipp hast. Ich habe den Cappuccino nicht getestet, war mir zu früh. Wollte es auf dem Rückweg machen, bin aber zu weit außenherum gelaufen. Werde ich aber morgen nachholen, versprochen Paul. Dann habe ich die typische Innenstadt-Tour abgespult, mit allen wichtigen Sehenswürdigkeiten. Piazza Navona, Pantheon, Fontana di Trevi, Spanische Treppe, Piazza Venezia, Colosseum und Forum Romanum. Durch Zufall bin ich auch am italienischen Parlamentsgebäude vorbeigelaufen. Berlusconi habe ich aber leider nicht gesehen. Nahe der Spanischen Treppe ist das wohl berühmteste und älteste Caffe‘ Rom’s , das „Antico Caffe‘ Greco“ in der Via Condotti. Zwei Euro für den Cappuccino sind für römische Verhältnisse noch vertretbar. War gut, aber nicht herausragend. Für den Rückweg vom Colosseum habe ich fast eine Stunde gebraucht. Erst um 17,30 Uhr war ich wieder bei den Pallottinerinnen. Ein anstrengender Tag mit 8 Stunden Laufzeit. Aber ohne Rucksack ist das wie eine Erholung! Das Wetter hat gehalten. Den ganzen Tag bedeckt, aber kein Regen. Wenn du mit den Menschenmassen durch Rom gehst, fühlst du dich nicht mehr als Pellegrino, sondern da bist du wieder ganz Tourist. Es ist beeindruckend, was Rom selbst um diese Zeit noch an Touristen beherbergt. Und an allen Ecken und Enden hörst du deutsche Stimmen. Alle Lokale in der Stadt haben die Bestuhlung noch im Freien und ein Großteil der Gäste sitzt außen, auch am Abend. An der Fontana di Trevi habe ausnahmsweise mal keine Münze rückwärts in den Brunnen geworfen, denn ich bin überzeugt, dass ich auch ohne diesen Brauch wieder nach Rom zurückkehren werde! Ich gab sie einer bettelnden Frau, die am Straßenrand saß. Ich dachte mir, dass die es nötiger hat wie der Brunnen. Trotzdem ist das Betteln lästig, weil einfach zu viele rumsitzen und zum Teil rumliegen.
Was ich morgen unternehmen werde, hängt vom Wetter ab. Denn für morgen ist endgültig Regen angesagt. Ich werde berichten.
06.11.2011 - Rom 4. Tag
Beim Wettergott muss ich einen dicken Stein im Brett haben: Heute Nacht regnete es teilweise kräftig. Als ich um 6,45 Uhr zur Hl. Messe in den Petersdom marschierte, war es wieder trocken und die Wolken lockerten wieder auf. Dieser Trend setzte sich im Laufe des Vormittages fort und um 12,00 Uhr hatten sich auf dem Petersplatz ca. 30.000 Menschen bei strahlendem Sonnenschein zum Angelusgebet versammelt. Die Zeremonie dauerte ca. 20 Minuten. Papst Benedikt hielt nach dem Gebet eine kleine Ansprache und begrüßte die Pilger in verschiedenen Landessprachen. Keine Angst, ich wurde nicht erwähnt. Danach schlenderte ich zum Mittagessen nochmal in die Stadt und war gegen 15,30 Uhr wieder „zuhause“. Nun war eine gute Stunde Ruhe angesagt. Ich wachte auf, weil es plötzlich wieder regenete, begleitet von einem kleinen Gewitter.
Heute Abend werde ich meinen Rucksack weitgehendst reisefertig machen, denn morgen sollte ich bis 9,00 Uhr mein Zimmer räumen. In Gedanken bin ich also bereits auf der Heimreise. Ich muss noch eine Lösung finden, wie ich meine DIN-A 4 große Pilgerurkunde knitterfrei über die Runden bringe. Schwester Brunhilde, die gute Seele im Haus will mir einen Karton beschaffen, aus dem ich 2 „Platten“ schneiden kann, wo ich die Urkunde dazwischen schieben kann.
Ich habe 4 wunderschöne Tage in Rom verbracht, die Zeit ist mir nicht zu lange geworden und ich hatte viel Zeit zum Nachdenken. Jetzt aber freue ich mich auf daheim. Ich danke allen, die mich in Gedanken begleitet haben und mich in vielen aufmunternden Gästebucheinträgen immer wieder motiviert haben. Auch wenn es mir manchmal nicht leicht gefallen ist, nach einem langen Tag mit 1000 Höhenmetern noch meine Internetseite zu aktualisieren, weil oftmals die Technik nicht ganz so wollte wie ich es gerne gehabt hätte: Es hat Riesenspaß gemacht.
Herzlichen Dank und alles Gute euch Allen.
Euer Pellegrino
Willi Schmitt
Hier noch eine kleine Fleißaufgabe:
Der ganz normale Arbeitstag im Leben Benedikt s des XVI.
(entnommen aus der „Pilger-Zeitung“, einer Sonderausgabe für die Besucher der Ewigen Stadt)
Kurz nach sechs Uhr klingelt bei Benedikt XVI. der Wecker. Gegen 6,50 Uhr verlässt Josepf Ratzinger sein Zimmer und legt die 20 Meter zurück, die sein Zimmer von der Kapelle trennen. Dort betet er einige Augenblicke, legt die Brille auf dem Altar ab und geht in die kleine Sakristei, um sich das Messgewand anzuziehen. Im gleichen Augenblick sind die beiden Sekretäre, der Deutsche Georg Gänswein und der Malteser Alfred Xuereb bereits für die Messe bereit. An der Messe nehmen Loredana, Carmela, Christina und Rossella teil, die den „Memores Domini“, der Gemeinschaft der Ehelosen von Cumunione e Liberazione, angehören. Sie gehen dem Papst im Alltag zur Hand. Auch der Kammerdiener Paolo Gabriele ist bei der Messe dabei. Nach Abschluss der Messe bleibt Benedikt XVI. in der Kapelle, um im Brevier zu lesen. Das Frühstück wird um 8,00 Uhr im Speisesaal serviert.
Der Heilige Vater nimmt zum Frühstück einen Milchkaffe, etwas Brot mit Butter und Marmelade. Manchmal gönnt er sich auch etwas Süßes – Ciambelle oder Biscotti, die ihm ein Besucher als Geschenk mitgebracht hat. Nach dem Frühstück zieht sich der Papst in seine Gemächer zurück. Für gewöhnlich betritt er um 9,00 Uhr, sein privates Arbeitszimmer, das an sein Schlafzimmer angrenzt, in dem ein Schreibtisch sowie ein Bücherregal stehen. Dies ist der Raum, von dessen Fenster aus er sich Sonntags während des Angelusgebetes zeigt.
Benedikt beginnt zu arbeiten und trifft die Schönstattschwester Birgit Wansing, die für den Papst den Schriftverkehr erledigt und seine Handschrift besser als jeder andere lesen kann. Nach ihr betritt Prälat Georg Gänswein das Arbeitszimmer, um den Tagesablauf zu besprechen und die Aufgaben einzuteilen. Bis 11,00 Uhr nimmt dies den Papst in Anspruch. Danach beginnen die Audienzen. Benedikt fährt mit dem Fahrstuhl hinab in das direkt darunter liegende Stockwerk, in den zweiten Stock des Apostolischen Palastes. Hier empfängt er in den verschiedenen Audienzsälen Bischöfe, Staatsoberhäupter und Gruppen von Gläubigen. Nach den Audienzen kehrt der Papst gemeinsam mit seinen Sekretären und seinem Kammerdiener in seine Privatgemächer zurück. Das Mittagessen wird um 13,15 Uhr serviert. Wenn keine Gäste anwesend sind, sitzen die Sekretäre sowie die vier „Memores“ gemeinsam mit dem Papst am Tisch, während der Kammerdiener das Essen aufträgt. Vor 14,00 Uhr verlassen alle die Tafel.
Benedikt und seine Sekretäre gönnen sich einen kurzen Spaziergang im Dachgarten, den Paul der VI. oben auf dem Apostolischen Palast anlegen ließ. Am Nachmittag begibt sich der Papst in die Vatikanischen Gärten, um dort in der Nachbildung der Grotte von Lourdes den Rosenkranz zu beten. Um 18,00 Uhr folgen die sogenannten „udienze di tabella“, die regulären Audienzen für die engsten Mitarbeiter wie beispielsweise für Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone oder die Präfekten der wichtigsten vatikanischen Kongregationen. Danach ist viel Zeit für das Gebet vorbehalten: Das ist der Augenblick des Tages, an dem sich der Papst in seiner privaten Kapelle niederkniet und mit den Sorgen und Bitten der Gläubigen an Gott wendet.
Um 19,3o Uhr gibt es Abendessen. Punkt 20,00 Uhr geht der Papst gemeinsam mit seinen engsten Mitarbeitern in das angrenzende Wohnzimmer mit den grünen Sesseln, um dort die Abendnachrichten zu sehen. Um 20,30 Uhr sind die Nachrichten zu Ende und der Papst gönnt sich, nach Möglichkeit im Dachgarten oder aber in seinen Gemächern, noch einen kurzen Spaziergang. Gegen 21,00 Uhr verabschiedet er sich von allen und zieht sich in sein Bibliothekszimmer zurück, um dort noch eine oder auch zwei Stunden zu arbeiten. Von den vier „Schutzengeln“ Papst Benedikts, den „Memores“, ist Loredana die tragende Säule der großen päpstlichen Küche, die 2005 in Metalloptik und mit grauen Arbeitsflächen frisch renoviert wurde. Auf einem großen Marmortisch werden die dem Papst und seinen eventuellen Gästen täglich servierten Speisen zubereitet. Loredana kümmert sich auch um die Einkäufe und steht in ständigem Kontakt zum vatikanischen Supermarkt, der sogenannten „Annona“. Zudem wählt sie das täglich frisch aus den Gärten von Castel Gandolfo angelieferte Gemüse aus. Auch Carmela arbeitet in der Küche. Ihr Fachgebiet sind Süßspeisen (Strudel, Früchte-Tiramisu, Obstkuchen), die köstlich schmecken, doch leicht sind. Carmela kümmert sich auch um das Zimmer des Papstes und um seine Garderobe. Christina hingegen hat man die Privatkapelle der päpstlichen Gemächer anvertraut. Doch nimmt sie ab und zu auch Sekretärinnen-Tätigkeiten wahr. Rossella, die erst seit kurzem im päpstlichen Haushalt tätig ist und die die bei einem tragischen Verkehrsunfall im letzten November tödlich verunglückte Emanuela Campagni ersetzt, ist für die Wohnräume der beide Sekretäre zuständig. Zudem kümmert sie sich um die Verwaltung der Vorratskammer – mit allen essbaren Geschenken und deren Verteilung, denn Papst Benedikt und seine „Familie“ können unmöglich all das verzehren, was ihnen geschenkt wird.
Anmerkung: Ich finde es ganz interessant, mal zu lesen, wie der Tag eines Papstes so abläuft. Hätte aber absolut nicht vermutet, dass der Papst von fünf Frauen umgeben ist! Ich habe geglaubt, dort herrscht reine Männerwirtschaft. Da sage noch mal einer, Rom wäre nicht fortschrittlich.
07.11.2011: Rückreise und Ankunft in Nürnberg bzw. Wachenroth
Mit dem Taxi ging es um 14,00 Uhr nach Rom-Fiumicino zum Flughafen Leonardo da Vinci. Mein Taxifahrer – bestellt von Schwester Brunhilde - transportierte mich zum Festpreis von 40,-- Euro dor hin, zwei mal bei Rot durch die Ampel im Preis inbegriffen. Das wird in Italien nicht so ernst gesehen. Kaum am Schalter der Air Berlin angekommen, fühlte ich mich wieder Mitten in Franken. Stimmen um mich herum aus Ansbach, Hof und Nürnberg. Da merkte ich endgültig: Rom gehört der Vergangenheit an. Nach aufwändigen Kontrollen am Flughafen startete das Flugzeug mit 20 Minuten Verspätung. Nach einem ruhigen Flug landeten wir trotzdem 4 Minuten früher als geplant in Nürnberg, wo meine Familie und Verwandten sowie mein Freund Fritz mir einen herzlichen Empfang bereiteten. Fritz spielte mir die „Schöne Steigerwälderin“ auf dem Schifferklavier und die Kinder waren mit Plakaten angetreten, so dass wir bei dem Spektakel die Aufmerksamkeit aller umstehenden Flughafenbesucher auf uns zogen. Daheim in Wachenroth waren die Nachbarn zum Spalier angetreten und weitere Plakate und Spruchbänder zierten die Hofeinfahrt. Ich war gerührt von soviel Aufmerksamkeit und danke allen Beteiligten auf diesem Weg recht herzlich.
Îch werde nun versuchen, mich wieder so langsam zu aklimatisieren und dabei die Worte von Georg Paszek beherzigen, der mich auf folgendes hingewiesen hat:
„Sicherlich hat sich bei dir viel bewegt, doch die „anderen“ sind meist die gleichen geblieben, drum hab’ Geduld mit dir und mit ihnen…“